Dienstag, 30. März 2010

Kritiker des Islam: Unsere heiligen Krieger

Der Vollständigkeit halber hier der Artikel von Claudius Seidl, der im Januar eine abstrakte Debatte angestossen hat, ob die Kritik am Islam überhaupt gerechtfertigt oder zu übertrieben sei.

Kritiker des Islam
Unsere heiligen Krieger

Von Claudius Seidl

10. Januar 2010

Seit ich das Vorwort zur Taschenbuchausgabe von Henryk M. Broders Sachbuch „Hurra, wir kapitulieren!“ gelesen habe, erwarte ich stündlich einen Anruf dieses Herrn: „Aha, Sie glauben also auch an diese abscheuliche Religion, deren Anhänger in Irland schon wieder Bomben werfen, die Teufelsaustreibung immer noch im Programm haben und in Polen junge Frauen terrorisieren, die aus Not und Verzweiflung abgetrieben haben?“

„Wenn Sie den Katholizismus meinen: der lehnt Bomben ab und fordert zum Verzeihen auf. Und den Teufel sehen wir auch differenzierter.“ „Warum weisen Sie dann diese Verbrecher nicht in die Schranken?“ „Wenn Sie mir die Adresse sagen, schicke ich gern Protestnoten an alle IRA-Splittergruppen, Abtreibungsgegner und auch an die letzten Exorzisten. Ich bin mir sicher, das wird Eindruck machen.“

Eine zynische Aussage

Natürlich wäre ein solches Telefongespräch selbst Henryk M. Broder zu bescheuert - aber genau so, nur auf eine andere Religion übertragen, funktioniert die Logik, mit welcher Broder begründen will, warum er jede Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus als irrelevant zurückweist: Ja, klar, die allermeisten Muslime, 99,9 Prozent, wie Broder kurz mal schätzt, seien friedliche Menschen, welche von den 0,1 Prozent nur als Geiseln genommen würden. Aber, so Broder weiter, da müsse man doch mal „die logische Anschlussfrage stellen, warum sich 99,9 Prozent von 0,1 Prozent missbrauchen und als Geiseln nehmen lassen, ohne die kleine radikale Minderheit in Schranken zu weisen . . .“

Mal abgesehen davon, dass, was Broder da als Logik bezeichnet, so absurd ist, dass man sich fragt, ob der Autor wirklich selber daran glaubt, ist die Aussage, die in der Frage steckt, nicht nur falsch, sie ist auch zynisch. Weitaus die meisten Opfer, die der Terror im Namen Allahs fordert, haben selber an Allah geglaubt - weil man aber Menschen, deren Waffe ein Sprengstoffgürtel ist oder ein Auto voller Dynamit, an dessen Steuer sie selber sitzen, nur schwer für ihre Taten vor Gericht stellen kann, sind es die vermuteten und vermeintlichen Hintermänner, die in ägyptischen und irakischen Gefängnissen sitzen. Und die Frau in Bagdad, deren Sohn gerade von einer Autobombe zerfetzt worden ist; die junge Afghanin, die sich fürchtet davor, dass die Taliban, falls sie siegten, sofort die Schulen wieder schließen würden: Die haben womöglich andere Sorgen, als dass sie Zeit fänden, dem Herrn Broder im fernen Deutschland zu versichern, wie dringend sie dieTerroristen in die Schranken weisen möchten.

Ein System mit totalitärem Anspruch

Man könnte jetzt Henryk M. Broders gesammelte Meinungen als irrelevant zurückweisen, schon weil dieser Autor mit dem Anfertigen sogenannter Pointen (eine seiner besten: der Islam verhalte sich zum Islamismus wie der Terror zu Terrorismus) zu beschäftigt ist, als dass er Zeit fände für einen klaren Gedanken oder eine wirklich schlüssige Analogie - wenn Broder nicht nur besonders derb und drastisch formulierte, was auch andere behaupten, Menschen, die tatsächlich etwas vom Islam verstehen, weil sie in muslimischen Ländern aufgewachsen sind, unter muslimischen Sitten und Unsitten gelitten haben und ihre Meinungen mit eigener Erfahrung begründen können, Frauen also wie die sympathische Necla Kelek, Deutsche türkischer Herkunft, oder Ayaan Hirsi Ali, die niederländische Autorin und Politikerin somalischer Herkunft, die am eigenen Leib spüren musste, welche Grausamkeiten eine patriarchalische Gesellschaft im Angebot haben kann.

Necla Kelek besteht auf der kategorischen Unterscheidung zwischen dem, was der Westen unter Religion versteht, und dem Islam, der eben mehr sei, nicht bloß ein Glaube, ein Bekenntnis, sondern ein System mit totalitärem Anspruch, welches Unterwerfung fordere, von jedem Einzelnen wie von der ganzen Gesellschaft; eine Ideologie, mit der Kompromisse wie die Trennung von Kirche und Staat und die Freiheit eines jeden, zu glauben, was er wolle, leider nicht möglich seien: Der Terror und der sogenannte Ehrenmord, die Unterdrückung der Frau und der Hass auf alle Ungläubigen, das seien nicht etwa Auswüchse, sondern nur besonders unangenehme Merkmale des Islams.

Ayaan Hirsi Ali ist neulich, in einer Verteidigungsschrift fürs Schweizer Minarettverbot, noch weiter gegangen: Das Minarett, so schrieb sie im „Christian Science Monitor“, sei nicht etwa das Pendant zum Kirchturm der Christenheit (obwohl es ja dem gleichen Zweck dient und die architekturgeschichtliche Arbeitshypothese nicht ganz abwegig ist, wonach die Christen, deren Basiliken jahrhundertelang ohne Türme in der Landschaft standen, vom Anblick muslimischer Minarette zur Erfindung des Kirchturms inspiriert worden seien) - vielmehr sei das Minarett als Zeichen zu lesen, als Herrschaftszeichen einer totalitären und verbrecherischen Weltanschauung, vergleichbar nur Hammer und Sichel und dem Hakenkreuz. Auch Ayaan Hirsi Ali ist überzeugt davon, dass, wer den Dschihad, die Ehrenmorde und die Unterdrückung der Frauen nicht will, auch gleich auf den Islam verzichten könne.
Wann ging dann der Dschihad des Westens zu Ende?

Diese Befunde sind schon deshalb deprimierend, weil sie keinen anderen Schluss zulassen, als dass die Muslime in unsere westlichen, säkularisierten Gesellschaften nicht integriert werden können - es sei denn, sie hörten auf, Muslime zu sein. Und als Bewohner der westlichen, säkularisierten Welt, als Deutscher, dessen Begegnungen und Erfahrungen mit der muslimischen Welt sich auf Besuche in Kreuzberg, Istanbul und Brooklyn, ein paar türkisch-deutsche, arabische und pakistanische Freunde, Bekannte, Kommilitonen sowie das intensive Studium der Geschichten aus tausendundeiner Nacht beschränken, als so ein Nichtwisser und Nichtversteher traut man sich erst mal gar nicht, den Kritikern und Feinden des Islams zu widersprechen.

Es muss aber sein, und je genauer man sich die Argumente anschaut, desto klarer wird auch, dass sich die Gegenargumente eher in der westlichen Geistes- und Religionsgeschichte finden, in unseren Verfassungen und Menschenrechtserklärungen - und, nur nebenbei, in der Erinnerung an einige folkloristische Eigenheiten Siziliens, Kalabriens, des Balkans, welche uns darauf weisen, dass ein mörderisches Verständnis von Ehre und Jungfräulichkeit, die Blutrache und die brutale Unterdrückung der Frauen keine Spezialität des Islams sind, sondern dass sich archaische und grausame Formen des Patriarchats in den abgelegenen Gebieten des Südens so lange hielten, bis der Rechtsstaat und die Lockerung der Sitten sich endlich auch dort durchgesetzt hatten (vor kurzem also; oder auch: noch immer nicht ganz).

Nicht jedes Argument ist so leicht zu kontern wie Necla Keleks Vermutung, der Dschihad habe tausend Jahre lang gedauert und sei erst 1683, vor Wien, endlich aufgehalten worden, als die kaiserlichen, die polnischen, badischen und bayerischen Truppen die osmanische Armee schlugen und zurückdrängten. Wenn aber die imperialen Kriege der Osmanen heilig waren: Wann ging dann der Dschihad des Westens zu Ende? Mit der fast vollständigen Ausrottung der Ureinwohner Nordamerikas? Oder mit den letzten Zuckungen des Kolonialismus, der sich ja auch dadurch legitimierte, dass er die Bekehrung und Zivilisierung der Heiden als Ziel vorgab?
Ein Rassismus, seiner selbst nicht bewusst

Schwerer wiegt schon die Forderung, der Islam solle sich gefälligst endlich selbst aufklären; solle seinen Anspruch auf die Scharia und das Supremat über den Staat aufgeben und die universalen Menschen- und Freiheitsrechte anerkennen. Das klingt einerseits vernünftig - und übersieht doch, dass die Aufklärung und Säkularisation des christlichen Abendlandes nicht im Vatikan beschlossen und in den Bistümern und Gemeinden exekutiert wurde, sondern dass dieser Prozess fast tausend Jahre dauerte und dass der Weg dahin gesäumt war mit Scheiterhaufen und Bannflüchen, der heiligen Inquisition und Ketzerprozessen, deren Urteile erst im 20. Jahrhundert aufgehoben wurden. Immerhin war dies ein Konflikt mit offenem Ausgang; wer für die Menschenrechte stritt, durfte sich auf der richtigen Seite glauben und auf eine bessere Zukunft hoffen. Der muslimischen Welt dagegen steht heute der aufgeklärte Westen in seiner ganzen Dialektik schon gegenüber - die Segnungen dieser Aufklärung zu genießen ist, nicht zuletzt wegen der unfähigen, korrupten, diktatorischen und ganz und gar unislamischen Regime, so oft völlig unmöglich; die Nachteile kann man aber auch in Ägypten oder Indonesien sehr gut besichtigen. Und wenn schon wir verwöhnten Westler manchmal leiden am Tempo, dem Druck und der Kälte der westlichen Verhältnisse, sollten wir nicht allzu heftig fordern, dass jeder syrische Bauer aber diese Verhältnisse ganz dringend herbeisehnen möchte. Religion sei Opium fürs Volk, schreibt Broder, der auch seinen Marx nicht kennt. Religion ist aber das Opium des Volkes, der Seufzer der bedrängten Kreaturen, von denen es in der muslimischen Welt zu viele gibt, als dass der Hohn Henryk M. Broders sie noch groß kümmern müsste.

Was uns aber kümmern muss, ist, wenn im Namen der universalen Menschenrechte genau diese Rechte zur Folklore des Abendlands gemacht werden sollen - wenn also einer wie Broder das Prinzip „Wie du mir, so ich dir“ im Umgang mit der muslimischen Welt vorschlägt: Wenn wir Kirchen und Synagogen in Mekka bauen dürfen, lassen wir euch Moscheen in Rom bauen. Wenn unsere Frauen nabelfrei durch Riad bummeln können, lassen wir eure Frauen verschleiert auf die Maximilianstraße. Klingt nur fair, ist aber, erstens, eine Selbsterniedrigung aufs Niveau orientalischer Verhältnisse; zweitens, weil „wir“, nach vollzogener Einbürgerung, eben auch Muslime und Kopftuchträgerinnen sind, ein Rassismus, der sich seiner selbst nur nicht bewusst ist.

Und drittens möchte man da nur noch Voltaire zitieren: Ich mag Ihr Kopftuch nicht. Aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sich kleiden dürfen, wie Sie wollen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Junge Muslime: Echte Helden gegen falsche Ehre

Das ist genau das richtige Prinzip: Aufgeklärte, islamisch-stämmige junge Männer erklären den islamischen Jugendlichen, wie man sich in Deutschland verhalten muss.

Junge Muslime
Echte Helden gegen falsche Ehre

Von Mathias Hamann



Yusuf, Ahmad, Ufuk (von links): "Würdet ihr eure Tochter auf eine Klassenfahrt lassen?"

Mädchen fahren nicht mit auf Klassenfahrt, und der Sohn darf keine Nicht-Muslimin lieben? "Ist halt so", denken viele muslimische Jugendliche. Ein Berliner Verein schickt integrierte Muslime in Schulen - ihre Mission: Aufklärung. Doch oft sind auch in jungen Köpfen alte Traditionen übermächtig.


"Ein Mann muss doch eine Jungfrau heiraten", sagt ein Mädchen, eine Mitschülerin stimmt zu: "Die Jungfräulichkeit ist ein Geschenk für ihn." Eine halbe Stunde reden sie jetzt schon so, 20 Neuntklässler der Zuckmayer-Realschule in Berlin Neukölln. Nur einer hat keine islamischen Wurzeln, von den zehn Mädchen tragen sechs Kopftuch. Niemand möchte hier seinen Namen lesen, die Schule bittet darum.

Mittendrin sitzt Ahmad Mansour. Der Psychologe spricht mit den Schülern darüber, ob es okay ist, dass ein Junge mit einem Mädchen einfach ins Kino geht. "Nein", sagen viele. Händchen halten, sich treffen oder gar Küsschen zwischen Verliebten? "Das ist gegen unsere Kultur", ruft ein Mädchen. Sex vor der Ehe? "Das haben Russen oder Deutsche, aber nicht wir Moslems", erklären ein paar Jungs. Denn das würde die Ehre verletzen. "Was ist Ehre?" fragt Ahmad Mansour die Schüler, einige schweigen, andere antworten voller Leidenschaft: Ehre sei die Familie, die eigene Jungfräulichkeit oder die der Schwester.

Ahmad Mansour ist beim Verein Heroes. Das Projekt stammt aus Schweden, dort unterstützt die Königin das Programm. Die Idee: Integrierte Migranten gehen in Schulen und reden mit jungen Migranten über Gleichberechtigung. Ahmad Mansour stammt aus Palästina, lebt seit vier Jahren in Deutschland, hat hier Psychologie studiert. Neben ihm sitzen zwei junge Männer, Yusuf Algan und Ufuk Akar. Yusuf ist 19 Jahre alt und studiert Informatik, Ufuk, 18, macht gerade sein Abitur und hatte schon eine Freundin. Die jungen Muslime dienen als Brücke und Identifikationsfiguren für die Neuntklässler.

"Der Junge muss hören, was sein Vater sagt"

Beide treten nun in einem Rollenspiel auf, als Vater und Sohn. Der Sohn gesteht, dass er ein Mädchen liebt, die keine Muslimin ist. Nach drei Minuten Dialog verbietet Papa weitere Treffen: "Du weißt, das bringt Schande über die Familie." So würden die Eltern von Yusuf und Ufuk nie reagieren, den umsitzenden Schülern hingegen kommt die Szenerie bekannt vor.

Nun fragt Ahmad Mansour die Klasse, was sie tun würden. "Noch mal mit dem Vater reden", antworten viele. Einige finden, der Junge sollte sein Mädchen weiter treffen. Und was wäre, wenn der Sohn sich dem Verbot widersetzt? "Der Junge muss hören, was sein Vater sagt, sonst verletzt er die Ehre des Vaters", mahnt einer. Aber warum? Ein paar nicken nachdenklich, andere reden, aber keiner hat eine Antwort. Außer: Ist halt so.

Ahmad Mansour stellt Fragen, die naiv klingen: Wollen denn Eltern nicht, dass ihre Kinder glücklich sind? Was sollte Eltern wichtiger sein, das Glück ihrer Kinder oder ihre eigenen Regeln? Immer antwortet ihm Schweigen. Die Glocke läutet, kurze Pause. Ahmad Mansour geht mit seinen beiden Begleitern vors Schultor, rauchen.

"Ein richtiger Held gewinnt den Kampf gegen falsche Ehre", erklärt Ahmad Mansour die Idee von Heroes - denn unter falscher Ehre litten alle, Töchter, Söhne und die Eltern, weil in Familien Misstrauen herrsche statt Vertrauen. Aus Angst vor Schande überwachten Brüder ihre Schwestern, Familien ließen ihre Töchter nicht mit einem Jungen ins Kino, Söhne dürften keine Nichtmuslimin lieben.

Von zehn Mädchen waren nur zwei bei der Klassenfahrt dabei

Den Schülern erzählt er immer, dass auch der Prophet Mohammed eine christliche Geliebte hatte. "Das hat nichts mit Religion zu tun", sagt Ahmad Mansour, "sondern mit Kultur." Mit einer Kultur, die Zwangsheirat und Ehrenmord bejahe. Diese Kultur wollen sie ändern. Er und seine beiden Heroes, Yusuf und Ufuk, gehen wieder in die Klasse.

Also fragt der Psychologe die Schüler: Welche Mädchen waren bei der Klassenfahrt dabei? Von zehn melden sich zwei. Was war mit den anderen? Die Eltern wollten das nicht. Warum? Zu gefährlich. Da mischt sich Yusuf ein: "Was kann euch denn passieren, das allerschlimmste wäre, dass ihr vergewaltigt werdet." Doch wer sollte das auf der Klassenfahrt tun, die Mitschüler? Die Mädels schütteln grinsend den Kopf. Dann fragt der junge Hero: "Okay, das ist es also nicht, was dann?" - "Schlechte Freunde", antwortet eine Schülerin. Der 19-Jährige lächelt: "Wer könnte das sein, eure Mitschüler?" Und wieder ist die Antwort "Nein".

Der Student bohrt weiter - wenn es keine Probleme gebe, warum dürfen die Jungs zur Klassenfahrt mitfahren, die Mädchen aber nicht? Es schwebt im Raum, dieses leise "Ist halt so." Was auch im Raum schwebt: der Wunsch der Mädchen, bei einer Klassenfahrt dabei zu sein.

Am Ende der Stunde fragt Ahmad Mansour einen Schüler, was der anders machen würde, wenn er als Vater eine Tochter hätte. Die Antwort: "Mehr Vertrauen." Ahmad Mansour setzt nach: "Und würdest du sie auf eine Klassenfahrt lassen?" Der Schüler sieht aus, als wollte er verneinen: "Kommt aufs Vertrauen an." Sein Vertrauen wäre weg, wenn... "Weiß nicht, wenn sie mal statt um acht um elf nach Hause kommt." Andere Mitschüler schütteln den Kopf, sie wären weniger streng.

Manche Schüler würden ihre Schwester umbringen, sagt Ahmad

Dann fragt Ahmad ein Mädchen, was sie täte, wenn ihre Tochter gesteht, dass sie einen Freund hat. Die Schülerin setzt an, zögert. "Ich würde sie nicht gleich schlagen. Ich würd' sie fragen, wie es zu dem Fehler kommen konnte." Ahmad Mansour wendet sich an den 15-Jährigen links neben ihm: Würde er seine Tochter auf eine Klassenfahrt lassen? "Nein." Ein Mädchen ruft: "Er ist wenigstens ehrlich." Andere stimmen ihr zu.

Liebe als Fehler, Klassenfahrtverbot für Mädchen - wie ihre Eltern würden also auch einige Jugendliche später handeln, obwohl sie jetzt darunter leiden. Resignieren die drei Heroes? Ahmad Mansour winkt ab: "Ach, das war heute harmlos." Er hatte auch schon Schüler, die ihre Schwester umbringen würden, wenn die mit einem Jungen schliefe. Nein, er weiß, dass Veränderungen lange brauchen. "Und wenn die Kids nur anfangen, darüber kritisch zu reden, dann reicht das erstmal."

Die Neuntklässler der Zuckmayer-Schule haben ihn schon eingeladen: "Komm bald wieder." Zudem wollen auch Hannover, Köln und andere Städte so einen Workshop in ihren Schulen. Und bei Heroes werden gerade neue Jugendliche zu Assistenten ausgebildet. Leute wie Yusuf oder Ufuk, die ihre Tochter selbstverständlich auf eine Klassenfahrt lassen würden.

Spiegel Online

Wie ein Comic das Image des Islam verändern will

Superhelden retten die Welt. Aber können Sie auch verändern, wie der Islam weltweit wahrgenommen wird? Der kuwaitische Psychologe und Schriftsteller Naif-Al-Mutawa ist davon überzeugt: er hat einen sehr erfolgreichen Comic entwickelt, in dem 99 Superhelden für eine bessere Welt kämpfen. Die Zahl 99 ist bewusst gewählt: 99 Eigenschaften bzw. Namen werden Allah zugeschrieben.
In einer Region, die Jugendlichen Selbstmordattentäter als Vorbilder präsentiert, bieten Mutawas Comics unblutige Konfliktlösungen. Doch Mutawas Sicht des Islam verärgert die Konservativen. Trotzdem expandiert das Universum der Zeichentrickhelden: 1 Millionen Hefte wurden 2009 verkauft: im Mittleren Osten, Nord Afrika, Asien bis in die Türkei und Frankreich. Inzwischen gibt es auch einen riesigen Themenpark in Kuwait und Endemol produziert eine Zeichentrickserie, die den Erfolg der 99 auch in westliche Länder tragen soll.

Montag, 29. März 2010

Cem Özdemir über die Türkei

In einem Punkt hat er recht: Merkels Politik der stillen Worte findet bei den Türken kein Gehör.



Islam-Seminar: «Ohne Kopftuch hatte ich keine Chance»

Das Video ist sehr sehenswert, wenn auch schwer zu verstehen. Sogar Pierre Vogel, der deutsche Shootingstar in der Konvertiten-Szene, ist unter Geheimhaltung zu diesem Seminar angereist. Vor wenigen Monaten noch wurde ihm der Zutritt in die Schweiz verboten.

Islam-Seminar: «Ohne Kopftuch hatte ich keine Chance»

Am vergangenen Wochenende haben über 100 Muslime an einem Bildungsseminar des Islamischen Zentralrats Schweiz teilgenommen. «Schweiz aktuell» war mit zwei Journalistinnen im bündnerischen Disentis vor Ort. Sie wurden nicht mit offenen Armen empfangen. Die Journalistinnen wurden gezwungen, auf öffentlichem Grund ein Kopftuch zu tragen und wurden sogar beschimpft.


Hier klicken für ein 10 Minuten-Video

Die Situation war alles andere als einfach beim dreitägigen Seminar in Disentis. Weil einer der Prediger mit frauenfeindlichen und gewaltbereiten Aussagen zitiert wurde und so in einem kritischen Licht erschien, stand das Schweizer Fernsehen plötzlich als «Hetzmedium» da. Es kam zur öffentlichen Beschimpfung.
zitat
«Weil ich als Journalistin und Frau ohne ein Kopftuch keine Chance hatte, habe ich eins angezogen.»
Rachel Honegger, Redaktorin «Schweiz aktuell»

«Ich war plötzlich dafür verantwortlich, dass manche Medien den Menschen die Worte im Munde umdrehen und Inhalte aus ihrem Kontext gerissen werden», sagt Redaktorin Livia Bättig im Rückblick.

Schwierige Arbeitsbedingungen

Die Interviews wurden deshalb von den Organisatoren des Islam-Seminars gefilmt. Damit wollten sie verhindern, dass aus ihrer Sicht etwas falsch dargestellt wird. «Die meisten Seminarteilnehmer wollten darum auch keine Interviews vor der Kamera geben», erklärt Bättig.

Von Organisatoren gefilmt

Offenbar kontrollierten die Organisatoren auch streng, was der Kameramann filmte. «Ein Schwenk zur Türe, hinter welcher die Frauen sitzen, war verboten», sagt die Redaktorin. Aufnahmen wurden nur nach langem Diskutieren und aus grosser Distanz bewilligt.

«Ich wurde in die Schranken gewiesen»

Auch «Schweiz aktuell»-Redaktorin Rachel Honegger stiess auf deutliche Ablehnung. Sie durfte den Raum, in dem das Seminar abgehalten wurde, während den Vorbereitungen nicht betreten. Honegger weist ausdrücklich darauf hin, dass der Raum öffentlicher Grund ist. Trotzdem bekam sie die Ablehnung zu spüren, weil sie kein Kopftuch trug. «Ich wurde in die Schranken gewiesen, während einem männlichen Journalisten-Kollegen keine Grenzen gesetzt wurden.»

«Weil ich als Journalistin und Frau ohne ein Kopftuch keine Chance hatte, habe ich eins angezogen», sagt die Journalistin. Nur so sah Honegger überhaupt eine Möglichkeit, ihre Arbeit halbwegs in Disentis machen zu können.

«Toleranz braucht es auf beiden Seiten. Dazu gehört auch, dass ich in meiner Rolle als Journalistin auf Schweizer Gemeindeboden ohne Kopftuch ungehindert arbeiten kann», sagt Honegger.

Tagesschau.sf.tv

Angela Merkel reist nach Asien und hofft dort Europa zu finden



Angela Merkel reist nach Asien und hofft dort Europa zu finden

Wenn Angela Merkel am Montag zum Staatsbesuch in die Türkei reist, wird sie auch Istanbul besuchen, das in diesem Jahr den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ trägt. Sie wird das Mausoleum des Modernisierungsverordnenden Atatürk besichtigen, die Hagia Sophia, und die Deutsche Schule.

Das ergibt eine aufschlussreiche Symbolik, aber eine etwas andere, als das Kanzleramt sie sich vorgestellt haben mag. Der Kult um den Staatsgründer, der ebenso verordnet ist wie seine Modernisierungsidee, verrät indirekt etwas von der Schwäche der Institutionen. Die Hagia Sophia, die Krönungskirche des alten Byzanz, ist heute praktisch eine kaschierte Ruine mit Koransuren an den Wänden, die sich Moschee-Museum nennt. Ob das nicht doch etwas über das Verhältnis der offiziellen Türkei zur europäischen Kulturgeschichte und zum Christentum aussagt? Und die deutsche Schule, werden Sie jetzt fragen. Richtig, dort treffen sich die Kinder der Diplomaten, der Geschäftsleute, und die aus der einheimischen Oberschicht. Sie werden später einmal ins Geschäft kommen.

Europa war und ist für die Türkei der Ort, nach dem man strebt. So war es schon im Osmanischen Reich, und so kam man bekanntlich bis Wien. Aber auch keinen Schritt weiter. Sondern von Debakel zu Debakel auf dem Balkan. Bis Gallipoli. Die Schlacht von Gallipoli aber war nur noch Verteidigung und nicht mehr Angriff. Das Osmanentum war am Ende, sein Imperium zerfiel.

Aus seinem Schatten trat die Türkei. Sie hat sich ein neues Layout gegeben, das von Atatürk, um so doch noch an das verlorengegangene Ziel Europa andocken zu können. Das mag mit ihren prekären Nachbarschaften zu tun haben. Die Türkei hält einen nicht uninteressanten Rekord. Sie hat zu keinem einzigen Nachbarland gute Beziehungen. Ob es nun Griechenland ist, Armenien oder der Irak.

Die Türkei verkörpert eine notorische Moderne, die des Nahen Ostens. Sie trägt alle Merkmale asiatischer Industrialisierungsbegleitung. Dazu gehören der Nationalismus als Staatsdoktrin und die Religion als gesellschaftliche Selbstverständigungsbasis. In beiden Fällen zählt der Mensch als Teil der Gruppe. Auf ihn persönlich ist keine Rücksicht zu nehmen, höchstens auf die Gruppe.

Dass es so ist, und ganz und gar nicht besser werden will, daran erinnert uns seit Jahren bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit der türkische Ministerpräsident Erdogan. Zu den asiatischen Gepflogenheiten der Politik gehört das Säbelrasseln, zumindest aber das Wortgefecht. Die asiatische Moderne liegt seit eh und je im Streit mit dem europäischen Original. Das Problem ist, dass ihre Protagonisten meinen, man könne allem und jedem einen Hut aufsetzen und damit sei die Sache getan. Zu den neuesten aufgesetzten Hüten gehört Istanbuls Titel Kulturhauptstadt Europas.

Jedes Jahr aufs neue erfahren wir durch den Ministerpräsidenten, dass alles immer noch beim alten ist. Man kämpft jetzt bloß mit anderen Waffen. Die Krummsäbel sind verabschiedet Man versucht jetzt die Auswanderergruppen zu kontrollieren und zu instrumentalisieren. Anstatt über die Gründe nachzudenken, warum diese Gruppen die Türkei verlassen haben, erklärt man sie zum demographischen Faktor und fordert, wie Erdogan jetzt wieder, türkische Schulen in Deutschland. Eine erstaunliche Auffassung von Zugehörigkeit und Zuständigkeiten, zumindest im modernen Staatsverständnis, zeigt sich darin, das Erdogan gerne auch im Namen der deutschen Staatsbürger unter den Einwanderern spricht. Als Sprecher der notorischen Moderne asiatischer Prägung kann er nur der Besserwisser sein.

Erdogans Sprüche haben unsere Öffentlichkeit ein weiteres Mal für den Kanzlerinnenbesuch munitioniert. Sie könnten es, wäre diese Öffentlichkeit nicht weitreichend in der Hand von Tauben und Blinden, von sich taub und blind stellenden, nicht zuletzt aus Wirtschaftskreisen. Es sind jene, die bereits die Gastarbeiter planlos nach Europa geholt haben.
Hören wir doch endlich mit dem Schönwettergerede auf. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, wegen der zahlenstarken mexikanischen Einwanderung, Mexiko zum Bundesstaat der USA zu erklären, was im Übrigen Mexiko strikt ablehnen würde. Und es kommt schon längst keiner auf den Gedanken der Zusammenlegung, mit dem Argument, dass Mexiko Mittelamerika stabilisieren helfen könnte.

Spätestens wenn Erdogan uns wieder einmal über den Genozid an den Armeniern, der angeblich kein Genozid war, belehrt, und Armeniern in der Türkei mit der Ausweisung droht, sollte für uns die Botschaft klar sein: Zollunion ja, EU-Mitgliedschaft, nein.

Die Achse des Guten

Sonntag, 28. März 2010

Pat Condell: Verteidiger der westlichen Werte

Eigentlich ist es sehr bezeichnend, dass ein ehemaliger Komiker sagen muss, was die Politiker sich aus Harmoniesucht und falsch verstandenem Gutmenschentum nicht trauen. Pat Condell ist wortgewand und er nimmt kein Blatt vor den Mund. Seine Videos werden bei YouTube hunderttausendfach gesehen und diskutiert. Und eine Diskussion darüber, ob der Islam und die heterogene Masse, die sich als islamisch bezeichnet, überhaupt in eine aufgeklärte Gesellschaft integrierbar sind, muss dringender denn je geführt werden.









Donnerstag, 25. März 2010

Erdogan will mehr türkische Gymnasien in Deutschland

Schon Niklas Luhmann sagte, dass Gesellschaft nur soweit reicht, wie Kommunikationen reichen. Spricht jemand in Deutschland kein Deutsch, kann er nicht an der Gesellschaft teilhaben. Die deutsche Sprache ist also ein Muss für Integration.

Erdogans Forderung ist fatal für die Integration

Der Regierungschef der Türkei will türkische Kinder in Deutschland in ein sprachliches Ghetto stecken. Mit seiner Forderung nach türkischen Gymnasien brüskiert er viele türkische Eltern. Die wissen, dass die deutsche Sprache fundamental für Integration und sozialen Aufstieg ist.



Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan fordert türkische Gymnasien in Deutschland

Wenn es nach dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan geht, bräuchten wir endlich türkische Gymnasien in Deutschland, um das anhaltende Sprachproblem der hiesigen Türken mit einer besseren Beherrschung des Türkischen zu beheben. Das ist auf den ersten Blick nicht einmal gänzlich abwegig, weil eine Sprache richtig zu können besser ist, als zwei Sprachen nur halb zu beherrschen. Nicht nur unter Türken der zweiten und dritten Generation in Deutschland, genauso auch unter Italienern und anderen Einwanderergruppen, die aus entlegenen Regionen und bildungsfernen Schichten zu uns kamen, gibt es zuweilen erschreckende Fälle von Halbsprachlichkeit. Menschen, die Sachverhalte in keiner Sprache richtig ausdrücken können.

Dennoch weist der Vorstoß in die falsche Richtung – und schlecht informiert ist er auch. Tatsächlich erleben türkische Privatschulen und auch Gymnasien ja im Moment einen regelrechten Boom in Deutschland. Gegründet werden sie von aufstiegsorientierten Eltern der türkischen Mittelschicht, die wie viele deutschstämmige Eltern kein Vertrauen mehr haben, dass ihre Kinder an staatlichen Schulen ausreichend gefördert werden. Anders als es Erdogan vorschwebt wird Türkisch dort aber nur als zweite oder dritte Fremdsprache gelehrt, weil ambitionierte Eltern wissen, dass eine gute Beherrschung der deutschen Sprache das Entreebillet ist für beruflichen Erfolg und eine gelingende Integration.

Wie schon in seiner Kölner Rede zeigt Erdogan nun abermals, wie wenig er generell von der Integration der Türken in europäische Gesellschaften hält. Bei diesem Thema ähneln seine Ansichten auf erstaunliche Weise denen der alten kemalistischen Eliten in der Türkei. Erdogan sieht die bei uns eingewanderten Türken als eine Art nationale Reserve, die sich bei Bedarf für die Interessen der Türkei nutzbar machen lässt. Das scheint dem türkischen Regierungschef allemal wichtiger zu sein, als den hier lebenden Türken Lebens- und Zukunftschancen zu eröffnen.

Deutschland hat lange gebraucht, bis es sich eingestanden hat, dass die, die einst als Gastarbeiter gekommen sind, nicht wieder in ihre Heimatländer zurückgehen, sondern mit ihren Kindern und Enkeln inzwischen Teil der deutschen Gesellschaft geworden sind. Und dass ihre Integrationsprobleme somit eben auch die Aufgabe aller sind.

Deshalb ist es so fatal, wenn Erdogan die hier lebenden Türken wieder in ein sprachliches Getto drängen will, aus dem sie etwa die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer mit ihrer Kampagne „Keine Zukunft ohne gemeinsame Sprache!“ gerade herausholen möchte. Erdogans Appell ist ein schlechter Rat für die hier lebenden Türken. Es ist aber auch kontraproduktiv für die Hoffnungen der Türkei, irgendwann der EU beitreten zu können. Denn je schlechter integriert die in Europa lebenden Türken sind, desto größer wird der Widerstand in den europäischen Gesellschaft gegen eine Aufnahme ihres einstigen Heimatlandes. Es wird also Zeit, dass sich auch die Türkei von einer Lebenslüge verabschiedet.

Welt

Mittwoch, 24. März 2010

Die Türkei, die EU und die strategische Partnerschaft

Wieviel Aussicht auf Erfolg wird es haben die Türken mit der Aussicht auf eine strategische Partnerschaft abzuspeisen, wo doch der alte Rivale Griechenland in der EU ist und sie in eine Krise gestürzt hat? Wenig. Die Leugnung des Massenmords an den Armeniern ist nur ein Punkt, der nicht für eine EU-Mitgliedschaft spricht.

Merkel wirbt für privilegierte Partnerschaft mit Türkei

Bei ihrem Besuch in der Türkei kommende Woche will Bundeskanzlerin Merkel den Türken eine privilegierte Partnerschaft schmackhaft machen. Der türkische Ministerpräsident Erdogan lehnt den Vorschlag der Kanzlerin jedoch ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will ihre Gastgeber davon überzeugen, dass es keinen Zweck für sie hat, weiter die EU-Vollmitgliedschaft anzustreben. In Interviews mit türkischen Zeitungen warb sie am Mittwoch für das Modell einer „privilegierten Partnerschaft“: Diese umfasse bis auf wenige Ausnahmen alle Themen, über die Türken und EU-Vertreter im Rahmen der Beitrittsgespräche ohnehin reden. Wenn Türken und Europäer 27 oder 28 der insgesamt 35 Kapitel der EU-Beitrittsgespräche abschlössen, dann hätten sie schon eine „privilegierte Partnerschaft“, sagte Merkel.

Ankara wird sich von diesem Angebot wenig beeindrucken lassen. Für seine Regierung gebe es zur Vollmitgliedschaft „keine Alternative“, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan der „Zeit“. Für die Türkei wäre es ein großer Fehler, auf Merkels Vorschlag einzugehen, fügte er hinzu. Der türkische Premier will trotz unklarer EU-Aussichten für sein Land unbedingt verhindern, dass der Verhandlungsprozess mit der EU ganz zum Stillstand kommt. Genau das könnte aus Sicht Ankaras jedoch bald geschehen.

Merkel bleibt dabei, dass die Bundesregierung die 2005 begonnenen Beitrittsgespräche der Türkei mit der EU trotz ihrer eigenen Skepsis nicht torpediert. Diese Haltung ringt der türkischen Seite Respekt ab. Immerhin achte Merkel den Grundsatz der Vertragstreue, heißt es in Ankara. Das unterscheide sie zum Beispiel von dem bedingungslosen Türkei-Gegner Nicolas Sarkozy in Paris. Die Türkei erwarte, dass Merkel in Ankara bei dieser Position bleibe.

Bei ihrem ersten Türkei-Besuch seit vier Jahren will Merkel mit Erdogan auch über die in Istanbul geplante türkisch-deutsche Universität sprechen. Erdogan brachte in der „Zeit“ zudem die Gründung türkischer Gymnasien in Deutschland ins Gespräch. Die Kanzlerin reist nach ihren Gesprächen in Ankara nach Istanbul weiter. Dort will sie sich die Hagia Sophia und die Blaue Moschee ansehen, mit Kirchenvertretern sprechen und mit deutschen und türkischen Unternehmern über die Wirtschaftsbeziehungen reden.

Der türkische Premier wird bei Merkel den türkischen Wunsch nach einer Lockerung oder einer Aufhebung des Visumszwangs für Türken bei Reisen in die EU ansprechen. Merkel erinnerte in ihren Interviews daran, dass Ankara derzeit die Voraussetzungen dafür noch nicht erfülle. Dabei geht es um die Verpflichtung der Türkei, Flüchtlinge aufzunehmen, die über ihr Territorium nach Europa gereist sind und von dort wieder abgeschoben werden sollen. Auch müsse die Türkei ihre Grenzsicherung verstärken.

Die Türkei sei sich ihrer Verpflichtungen bewusst und gewillt, diese zu erfüllen, heißt es dazu auf türkischer Seite. Die EU habe finanzielle Unterstützung beim Thema Flüchtlinge versprochen. Noch in diesem Jahr will Ankara alle Bedingungen der EU erfüllen – dagegen betonte Merkel, ein visumsfreier Reiseverkehr liege noch in weiter Ferne.

Wenig Aussichten auf eine Überwindung gegensätzlicher Positionen bestehen auch beim Thema Zypern. Die Bundeskanzlerin will die Türken erneut dazu auffordern, ihre Häfen für Schiffe aus der zur EU gehörenden Republik Zypern zu öffnen. Das lehnt Ankara so lange ab, wie der türkische Teil der Insel einem internationalen Embargo unterliegt.

Die Erdogan-Regierung befürchtet, dass der ungelöste Zypern-Konflikt in absehbarer Zeit die türkische Europaperspektive völlig aus der Bahn werfen könnte. Denn die griechischen Zyprer könnten ihr Veto als EU-Mitglieder dafür einsetzen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei vollends zu stoppen. Schon jetzt sind mehrere Verhandlungskapitel wegen des Zypernstreits gesperrt. Es könne sein, dass gegen Ende des Jahres keine Kapitel mehr übrig seien, die für Verhandlungen zwischen EU und Türkei geöffnet werden könnten, sagt ein türkischer Diplomat. Das Ergebnis wäre der Kollaps der Verhandlungen: „Wir sehen den Zug auf uns zu rasen.“

Tagesspiegel

Google musste sich wehren

Ist Googles Rückzug aus China und die Einstellung der Zensur für die chinesische Google-Seite ein reines PR-Maneuver oder steckt mehr dahinter?

Montag, 22. März 2010

Die Arabische Liga wird 65

Besonders den letzten Teil finde ich interessant: Die Mitgliedsländer sind untereinander zerstritten oder gehen zumindest jeder den eigenen Interessen nach. Und Arabien fürchtet sich vor einer Atommacht Iran und steht einem bewaffneten Konflikt positiv gegenüber. Im Gegensatz zu Europa und den USA versuchen sie es nicht mit einer Appeasement-Politik, die schon bei Nazi-Deutschland versagt hat, auch wenn ihnen die Menschenrechte gleich sind. Den Arabern geht es nur darum, dass der Iran schwächer als sie bleibt. Sollte man sich so eine Steilvorlage nicht zu nutzen machen?

22.03.2010
Herzlichen Glückwunsch, Arabische Liga!
von David Harnasch

Am 22. März 1945 wurde die Arabische Liga gegründet, David Harnasch setzt sich zum 65. Geburtstag des Staatenbundes mit den zwei aktuellen Themen der Liga auseinander: die "Arabische Charta der Menschenrechte" und Israel und Palästina.


Vor allem zu zwei Themen hört man von dem Staatenbund: 2004 wurde die „Arabische Charta der Menschenrechte“ verabschiedet, die freilich nicht bindend ist und ihre Anführungszeichen auch sonst redlich verdient – wobei man wenigstens hoffen darf, dass sie eines Tages bei der Demokratisierung der Region ähnlich segensreich wirkt, wie die KSZE-Schlussakte beim Niedergang der Sowjetunion. Das Schicksal der Palästinenser ist vorgeblich das andere große Anliegen des Vereins seit seiner Gründung. Grade deren Leidensweg beweist, dass keine Feinde braucht, wer solche Freunde hat.

Azzam Pascha, der erste Präsident der Liga gab 1947 gegenüber jüdischen Unterhändlern die bis heute gültige Richtung vor: „Die Arabische Welt ist nicht in der Stimmung für Kompromisse. Wahrscheinlich ist Ihr Plan vernünftig und logisch, aber das Schicksal von Nationen wird nicht durch vernünftige Logik entschieden. Nationen machen niemals Zugeständnisse, sie kämpfen. Mit friedlichen Mitteln oder Kompromissen werden Sie gar nichts bekommen. Vielleicht werden Sie etwas erreichen, aber ausschließlich mit Waffengewalt. Wir werden versuchen, Sie zu besiegen. Ich bin nicht sicher, ob wir Erfolg haben werden, aber wir werden es versuchen. Wir haben die Kreuzzügler vertrieben, dafür haben wir Spanien und Persien verloren. Vielleicht werden wir Palästina verlieren. Aber es ist zu spät, um über friedliche Lösungen zu sprechen.“

Dass Palästina tatsächlich an die Juden verloren wurde, hat die Arabische Liga bis heute weder akzeptiert, noch verstanden. Die Bauernopfer sind die palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen in den arabischen Ländern, denen einerseits fundamentale Rechte vorenthalten, und andererseits Märchen von einer „Rückkehr“ ins israelische Kernland erzählt werden. Selbst unter prowestlichen, gebildeten, christlichen Libanesen erntet man blankes Unverständnis mit dem Vorschlag, die ins Land geflüchteten Palästinenser aus den Lagern zu lassen, ihnen Arbeit zu erlauben und sie gesellschaftlich zu integrieren. Dabei wäre das in der arabischen Welt hochgeschätzte Deutschland eigentlich ein gutes Beispiel, wie ein Land nach einer selbst verschuldeten Kriegsniederlage mit Gebietsverlusten Flüchtlinge integriert und wirtschaftlich auf die Beine kommt. Doch hierfür müssten die Fakten zunächst anerkannt werden – und die sind der Liga so gleichgültig wie das Leiden der Palästinenser, deren Chancen auf einen eigenen Staat die kompromisslose Haltung der Nachbarn bei exakt Null hält.

Bereits der siebte Abschnitt der „Arabischen Charta der Menschenrechte“ zeigt, wie fern solche Fortschritte sind: „Alle Arten von Rassismus, Zionismus und Besatzung verstoßen gegen die menschliche Würde und sind ein Haupthindernis bei der Ausübung fundamentaler Völkerrechte; all diese Praktiken müssen verurteilt und eliminiert werden.“

Immerhin zehn Mitglieder der Liga haben die Charta, deren Einhaltung in vielen anderen Punkten die Situation der betroffenen Bevölkerung dramatisch verbessern würde, ratifiziert, darunter Diktaturen wie Syrien, Libyen und Saudi Arabien. Mit dem Jemen gehört auch ein Land zu den Unterzeichnern, das nach allen Maßstäben als Failed State gelten muss. Ganze zwei der derzeit neunzehn Mitglieder sind halbwegs demokratisch organisiert: Der Irak und der Libanon. Dementsprechend ist das Hauptanliegen der anderen hier vertretenen Regierungen, möglichst ungestört die eigene Bevölkerung drangsalieren zu können. Dabei hilft man sich gegenseitig auch in den Gremien der UNO, wo die Liga einiges diplomatisches Durchsetzungsvermögen beweist.

Zynischerweise könnte ausgerechnet die derzeit größte Gefahr für Israel die bis ins Mark antisemitische Liga etwas näher an die Realität führen: Vom iranischen Atomprogramm fühlen sich sämtliche arabischen Staaten nicht weniger bedroht als Israel. In Sicherheitskreisen gilt als ausgemacht, dass Saudi Arabien einen Überflug israelischer Bomber zumindest inoffiziell akzeptieren würde. Vielleicht entwickelt die Liga zum Eintritt ins Rentenalter ein wenig Altersweisheit. Zu wünschen wäre es den Menschen, die in den Mitgliedsländern leben müssen und nur träumen dürfen von einem Staatenbund der sich mit so zivilen Dingen befassen kann, wie Bananenkrümmungen.

Cicero

Obama boxt die Gesundheitsreform durch

Endlich kann Barack Obama einen politischen Erfolg vorweisen, wenn auch einen sehr knappen: Die Gesundheitsreform ist mit knapper Mehrheit vom Senat bestätigt worden. Jetzt hat jeder Amerikaner die Pflicht, sich krankenversichern zu lassen. Erstens ist es zweifelsohne besser (arme Menschen sind bislang dreckig verreckt) für das amerikanische Volk, zweites dürfte es Obamas Position stärken und die Chancen einer Wiederwahl erhöhen.

Reform durchgeboxt
Obama feiert historischen Gesundheitstriumph

Bis zuletzt bangten, feilschten, kämpften die Demokraten um die nötigen Stimmen - und es reichte tatsächlich: Das US-Repräsentantenhaus hat die umstrittene Gesundheitsreform abgesegnet. Es ist eine historische Entscheidung. Und ein wichtiger Sieg für Präsident Obama.


Washington - Nach einem Jahr heftiger Auseinandersetzung hat es Barack Obama trotz aller Widerstände geschafft: Mit der Verabschiedung der Gesundheitsreform im Kongress konnte der US-Präsident sein wichtigstes innenpolitisches Ziel umsetzen. Das Gesetz wurde am Sonntagabend im Repräsentantenhaus mit 219 zu 212 Stimmen gebilligt. Der Senat, die zweite Kammer des US-Kongresses, hatte bereits im Dezember zugestimmt.

Das sind die Eckpunkte der Reform:

* Eine Grundversicherung wird für die allermeisten Amerikaner zur Pflicht: 32 Millionen bislang unversicherte Amerikaner sollen eine Absicherung im Krankheitsfall bekommen. Die bisherige Gesundheitsversicherung für Bedürftige, Medicaid, wird erheblich ausgeweitet. So soll erreicht werden, dass am Ende 95 Prozent der US-Bürger versichert sind. Derzeit sind es 83 Prozent.
* Versicherungen dürfen Versicherungsnehmer nicht mehr wegen deren Krankengeschichte ablehnen oder bestehende Verträge kündigen, wenn eine mit hohen Kosten verbundene Krankheit eintritt. Die Konzerne dürfen auch keine Aufschläge mehr wegen des Geschlechts oder des Gesundheitszustands von Versicherten verlangen.
* Staatliche Unterstützung erhalten auch Familien mit einem Jahreseinkommen bis 88.000 Dollar (65.000 Euro). Eltern können ihre Kinder bis zu einem Alter von 26 Jahren in ihrer Familienversicherung einbeziehen.
* Die Kosten der Reform für den Staat: 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro) über zehn Jahre. Finanziert werden die Ausgaben zum Teil mit einer höheren Abgabenlast für Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 200.000 Dollar (147.600 Euro) bei Ledigen oder 250.000 Dollar (184.500 Euro) bei Verheirateten.

Obama trat schon rasch nach der Entscheidung erleichtert vor die Kameras: "Wir haben bewiesen, dass wir immer noch ein Volk sind, das Großes leisten kann", sagte er. Mit der "radikalen Reform" habe die Regierung bewiesen, dass sie für die Menschen da sei.

Knappe Mehrheit

Bis zuletzt hatte der Präsident um noch wankelmütige Abgeordnete in den eigenen Reihen geworben. Das ganze Wochenende über hatten Obama und die Parteispitze daran gearbeitet, skeptische Parlamentarier in den eigenen Reihen zu einem Ja zu bewegen. So kam der Präsident am Vorabend der Abstimmung eigens ins Washingtoner Kapitol, um Wackelkandidaten auf seine Linie zu bringen. "Es liegt in Ihren Händen", beschwor er seine Parteifreunde."Es ist an der Zeit, die Gesundheitsreform zu verabschieden. Ich bin überzeugt davon, dass wir sie am Sonntag verabschieden. Lasst uns die Sache zu Ende bringen."

Mit drei Stimmen über der erforderlichen absoluten Mehrheit fiel die Abstimmung denn auch denkbar knapp aus. In den Reihen der demokratischen Regierungspartei schlossen sich 34 Abgeordnete den oppositionellen Republikanern an und stimmten gegen das Gesetz. Ein in letzter Minute erzielter Kompromiss in der Frage der Finanzierung von Abtreibungen verhinderte, dass sich noch mehr Demokraten des konservativen Flügels dem Weißen Haus widersetzten.

Das Gesetz kann nun zur Unterzeichnung ans Weiße Haus gehen. Es wird erwartet, dass der Präsident die Reform bereits am Dienstag in Kraft setzt.

Unabhängig davon findet noch ein Gesetzgebungsverfahren mit Änderungen an der gerade verabschiedeten Reform statt. Das Repräsentantenhaus verabschiedete die entsprechende Vorlage mit 220 zu 211 Stimmen. Dieses Gesetz geht nun noch an den Senat.

Kosten von mehr als 900 Milliarden Dollar

Zum Abschluss der teilweise emotional geführten Diskussion hatte Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi die Abgeordneten der demokratischen Mehrheitspartei aufgerufen, "Geschichte für unser Land zu schreiben". Die Republikaner bekräftigten bis zuletzt ihre Ablehnung des Reformwerks. Sie kritisierten vor allem die hohen Kosten von mehr als 900 Milliarden Dollar und das Vordringen staatlicher Regulierung in einen bisher privat geregelten Bereich.

Außerdem warnten sie davor, dass die Gesundheitsreform zu Kürzungen bei der bisherigen Krankenversicherung für Senioren mit der Bezeichnung Medicare führen werde. "Wir haben versagt, auf Amerika zu hören", sagte der republikanische Minderheitsführer John Boehner.

Die Wende bei der Debatte im Repräsentantenhaus kam, als eine Gruppe konservativer Demokraten um den Abgeordneten Bart Stupak ihre Ablehnung des Reformwerks aufgab. Im Gegenzug musste Obama eine Anordnung zusagen, die finanzielle Hilfen des Bundes für Abtreibungen ausdrücklich untersagt. Das ist zwar bereits geltendes Gesetz. Nun sollen aber "zusätzliche Sicherheiten" verankert werden, dass das auch tatsächlich geschehe und künftig auch nicht geändert werde, hieß es vom Weißen Haus. "Wir haben eine Einigung gefunden, durch die die Unantastbarkeit des Lebens in der Gesundheitsreform respektiert wird", sagte Stupak.

Tumulte vor der Abstimmung

Vor dem Kapitol demonstrierten lautstark Gegner der Reform. Einige drangen in das Parlamentsgebäude ein und wurden von Sicherheitskräften festgenommen.

Demokraten betonten die historische Tragweite des Gesetzes: "Jeder Präsident des vergangenen Jahrhunderts sagte, dass dies für eine große Nation eine Notwendigkeit ist", sagte der demokratische Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus, Steny Hoyer. Die konservative Opposition hingegen kritisierte abermals die Kosten der Reform und warnte vor zu großen Eingriffen des Staates. "Werden wir den Pfad der Freiheit wählen oder den Pfad der Regierungstyrannei?", fragte der republikanische Abgeordnete Ted Poe. Sein Parteikollege Paul Ryan nannte das Gesetz einen "haushaltspolitischen Frankenstein".

Spiegel Online

Obama - Iran, Iranisches Regime - Obama

Nouruz ist das altiranische Neujahrsfest, zu dessen Anlass Barack Obama ein Grußbotschaft an das iranische Volk, wie auch in das iranische Regime (er drückte es diplomatischer als "leaders" aus) gesandt hat. Wiederholt buhlt er um die Sympathie der Bevölkerung und um ein Einlenken der Mullahs. Das Volk, besser gesagt die Opposition, würde davon profitieren, wenn er sich konsequent hinter sie stellen würde. Von Chamenei und Ahmadinedschad kann Obama ohnehin keinen Centimeter Entgegenkommen erwarten, wie der untere Artikel zeigt.



Iran
Ajatollah Chamenei greift US-Präsident Obama an



Ajatollah Chamenei: "In der Praxis haben sie das Gegenteil getan"

Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei hat Barack Obama in einer Rede vorgeworfen, eine Verschwörung gegen sein Land zu planen. Mit dieser Reaktion schlug er das jüngste Dialogangebot des US-Präsidenten aus.

Teheran - Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, hat den USA falsches Spiel vorgeworfen. In Widerspruch zu seinem Gesprächsangebot schmiede US-Präsident Barack Obama ein "Komplott" gegen die Islamische Republik, erklärte Chamenei am Sonntag in seiner Neujahrsrede an die Nation, die vom Staatsfernsehen übertragen wurde.

"Die neue Regierung und der neue Präsident behaupten, sie haben ein Interesse an gerechten und fairen Beziehungen", sagte Chamenei. "Sie haben Briefe geschrieben und Mitteilungen geschickt, in denen sie sagten, sie wollten die Beziehungen zur Islamischen Republik normalisieren. Aber in der Praxis haben sie das Gegenteil getan." Obama hatte dem Golfstaat vor einem Jahr einen Neuanfang im diplomatischen Verhältnis angeboten.

"Sie können nicht Ihren Wunsch nach Frieden und Freundschaft ausdrücken und sich gleichzeitig gegen uns verschwören und glauben, dass Sie der iranischen Nation schaden können", sagte Chamenei in Maschhad im Nordosten des Landes an Obama gerichtet. Die USA hätten schon bei den Unruhen nach der Präsidentenwahl im Juni vergangenen Jahres die "schlechtestmögliche Position" eingenommen, indem Washington "Randalierer" als "Bürgerrechtler" bezeichnet habe.

Zuvor hatte sich Obama anlässlich des persischen Neujahrsfestes an das iranische Volk gewandt. "Auch wenn wir weiterhin Differenzen mit der iranischen Regierung haben, werden wir uns für eine hoffnungsvollere Zukunft für das iranische Volk einsetzen", erklärte Obama in einer am Samstag vom Weißen Haus veröffentlichten Botschaft.

So werde er sich für einen Internetzugang "ohne Angst vor Zensur" für die Iraner engagieren. Die Opposition im Iran hatte während der Proteste nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl ausgiebig den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter und Sozialnetzwerke wie Facebook oder das Internetportal Youtube genutzt, um sich zu organisieren.

Zugleich bekräftigte Obama seine Dialogbereitschaft gegenüber Teheran. Iran müsse jedoch dafür verantwortlich gemacht werden, dass es seine Verpflichtungen im Atomstreit nicht eingehalten habe, so der US-Präsident.

Spiegel Online

Sonntag, 21. März 2010

Neda lebt! In Deutschland...

Ein fataler Irrtum: Neda ist die berühmt gewordene Studentin, die während der Unruhen des iranischen Wahlbetrugs im letzten Sommer von Anhängern des Regimes erschossen wurde. Über das Internet wurde allerdings eine Iranerin mit dem gleichen Namen zur Toten gemacht. Diese musste sich jetzt sogar Asyl in Deutschland suchen:
ARTE Journal
19. März 2010

Soltani ist ein gewöhnlicher Name im Iran. Wie Meyer oder Müller in Deutschland. Auch Neda ist kein ausgefallener Vorname. Die ermordete Neda Soltan studierte an der privaten Islamic Azad University, die lebende Neda Soltani ist dort Dozentin und nur unwesentlich älter. Beide Frauen tragen lange dunkle Haare, beide sind hübsch. Die Verwechslung ist nachvollziehbar. Erst recht in der anfänglichen Bestürzung über den Tod einer jungen Frau. Aber die Tote heißt mit vollem Namen Neda Agha-Soltan. Die Frau mit dem Foto bei Facebook Neda Soltani. Dieser Unterschied hätte erfahrene Nachrichtenjournalisten irgendwann stutzig machen müssen. Die Verwechslung der Nedas erzählt auch etwas über den Journalismus in Zeiten der Hysterie.

Am Morgen des 21. Juni 2009, einen Tag nach dem Todesschuss, wundert sich Neda Soltani über die vielen Menschen, die sich auf ihrer Facebook-Seite als Freunde registrieren lassen wollen. Hunderte sind es, aus aller Welt. Erste Anrufe folgen. Ein befreundeter Professor bricht vor Erleichterung in Tränen aus, als er ihre Stimme hört. Neda Soltani denkt zunächst an einen schlechten Witz. Dann erfährt sie, was mit ihrem Foto geschehen ist.

Ein Fehler, wie er nicht passieren darf, aber eben passieren kann, und der sich ganz gewiss mit zwei, drei Telefonaten oder E-Mails aus der Welt schaffen ließe. Sie schreibt an Voice of America, einen englischsprachigen Fernsehsender, der auch im Iran unter Anhängern der Opposition populär ist. Sie schreibt, dass es sich um einen Irrtum handele, dass ein falsches Foto gezeigt werde. Als Beweis schickt Neda Soltani ein weiteres Bild von sich, das könne man ja mit dem anderen vergleichen.


Freitag, 19. März 2010

Im Nahen Osten nichts Neues

Obama kommt mit seinem Kuschelkurs nicht wirklich voran. Amerikanische Konservative werden ihm Unfähigkeit und Schlimmeres vor (siehe Video unten, siehe auch hier) und der Nahe Osten kommt wie immer nicht zur Ruhe. Wo bleiben die richtigen Sanktionen gegen den Iran, wo die Unterstützung der Revolutionsbewegung? Und das nicht nur von amerikanischer, sondern auch von europäischer Seite? Lesenswert auch die beiden unteren Artikel.



Leitartikel: Die verheerende Bilanz der amerikanischen Nahost-Politik
Obama versteht die Israelis nicht

Man wird sich schnell darauf einigen können, dass Israels Entscheidung, 1600 Wohneinheiten in Ostjerusalem zu bauen, nicht nur schlecht getimt war, sondern auch in der Substanz wenig hilfreich.Die wütende, gegenüber Verbündeten geradezu unerhörte Reaktion aus Washington ist aber nicht nur weit übertrieben.Sie verrät auch, wie viel Frust sich in der Obama-Regierung angesammelt hat. Man möchte nur zu gerne Israel verantwortlich machen für die mangelnden Resultate der obamaschen Nahost-Politik.


Dabei sind viele Misserfolge das Ergebnis einer gefährlich naiven Politik Washingtons.

Um den Nahost-Friedensprozess wieder flottzumachen, hatte Obama allen Seiten etwas versprochen. In seiner Kairoer Rede hatte er sich für einen israelischen Siedlungsstopp eingesetzt. Die Palästinenser sollten an den Verhandlungstisch zurückkehren, und den Israelis stellte man Gesten des guten Willens und der Annäherung vonseiten arabischer Staaten in Aussicht. Unter erheblichem Druck hat Israel dann einem neunmonatigen Moratorium beim Siedlungsbau im Westjordanland zugestimmt. Das war nicht ganz so viel, wie Obama sich erhofft hatte, aber weit mehr, als jeder Regierungschef vor Benjamin Netanjahu zu geben bereit war. Bekommen haben die Israelis dafür kaum etwas. Die Palästinenser erklärten sich zu "indirekten" Gesprächen bereit, was lächerlich ist, wenn man bedenkt, wer hier eigentlich einen Staat haben will. Das ist nicht zuletzt die Schuld der US-Regierung. Sie hatte den Mund sehr voll genommen mit der Forderung nach einem kompletten Siedlungsstopp. Da konnte Abbas sich nicht nachgiebiger zeigen als die Amerikaner.

Aus der Annäherung der arabischen Staaten wurde gar nichts, sie haben nur ein altes Angebot erneuert. Warum sollten sie sich aus dem Fenster lehnen, wenn Obama ihnen die israelischen Konzessionen frei Haus liefert? Da ist es kein Wunder, wenn die Israelis das Gefühl haben, ihre Zugeständnisse zögen nur Forderungen nach immer neuen Zugeständnissen nach sich, ohne dass sie eine Gegenleistung bekommen.

Sicher: Israel hat dazu beigetragen, das Verhältnis zu belasten, und sollte die kontraproduktive Siedlungspolitik auch in Ostjerusalem beenden. Es ist aber bezeichnend, dass die Wortwahl der US-Regierung gegenüber den friedensfeindlichen Autokratien der Region weit freundlicher ist als gegenüber dem demokratischen Verbündeten. Weder beim Iran noch bei Syrien sind die Amerikaner jedoch vorangekommen. Die Position der Mullahs im Atomstreit hat sich verhärtet. Und auch die Entsendung eines US-Botschafters als Zeichen der Einbindungspolitik gegenüber Syrien wurde nicht honoriert. Stattdessen organisierte Hafis al-Assad in Damaskus ein öffentlichkeitswirksames Treffen mit Irans Mahmud Ahmadinedschad und dem Chef der libanesischen Terrororganisation Hisbollah, um zu zeigen, dass die Terror- und Ablehnungsfront weiter steht.

Das alles sind mehr als Anfängerfehler. Es hat sich gezeigt, dass die Grundannahmen obamascher Nahost-Politik nicht funktionieren. Vor allem hat der Präsident ignoriert, dass dort eine simple Schulhoflogik regiert. Das Abrücken der USA von seinem Bündnispartner führt nicht etwa zu Zugeständnissen von Israels Feinden. Im Gegenteil: Die wittern Morgenluft und sehen sich in ihrer Unbeugsamkeit bestätigt. Obama hat also einen treuen Verbündeten in die Ecke gedrängt, ohne damit etwas voranzubringen. Inzwischen ist gar der Eindruck entstanden, ein "regime change" in Jerusalem sei Obama wichtiger als einer in Teheran oder Damaskus.

Man könnte die Härte Obamas gegenüber Israel vielleicht verstehen, wenn er einen Plan hätte, wie es weitergehen soll. Tatsächlich handelt es sich aber um Politik im virtuellen Raum. Solange die Palästinensergebiete weiter in Fatahstan in der Westbank und Hamastan in Gaza geteilt sind, ist eine Friedenslösung ohnehin undenkbar. Warum sollte Israel einem Palästinenserstaat zustimmen, wenn es dafür nur einen halben Frieden bekommt? Zumal sich auch die Palästinenserführung in der Westbank nicht stark genug fühlt für einen Friedensschluss. Der US-Präsident hat die strategische Position Israels also geschwächt, ohne einen echten Weg zum Frieden aufzeigen zu können. Das ist mehr als nur naiv, es ist fahrlässig.

Welt.de

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Verratene Freiheit: Geleitwort von Henryk Broder
von Henryk M. Broder

Seit Jahren spielt der Iran mit dem Rest der Welt »Katz und Maus«, genau genommen seit mehr als 30 Jahren. Was mit dem Sturz des Schahs und der Rückkehr des Ajatollahs Khomeini aus seinem Pariser Exil nach Teheran begann, wird nun von Mahmud Ahmadinedschad und seinem Regime vollendet: der Aufbau einer Diktatur im Inneren und der Aufstieg des Landes zu einer Atommacht, die nicht nur mit ihren regionalen Nachbarn offene Rechnungen begleichen möchte.


Die europäischen Regierungen, die ihre bilateralen Beziehungen zu Österreich einfroren, als in Wien ein Kabinett unter Beteiligung der »Freiheitlichen« von Jörg Haider gebildet wurde, sehen der Entwicklung im Iran mit der Gelassenheit von Horror-Fans zu, die sich beim Zuschauen ein wenig gruseln, aber hoffen, die Geschichte werde schon irgendwie gut enden. Die einen aus ökonomischen Überlegungen, die anderen aus Rücksicht auf gewachsene historische Beziehungen, wie sie z.B. zwischen Deutschland und dem Iran seit über 100 Jahren gepflegt werden. Die europäische Friedensbewegung bzw. der klägliche Rest, der von ihr übrig geblieben ist, verteidigt das Recht des Iran auf die »friedliche Nutzung der Kernkraft « mit derselben Heftigkeit, mit der sie den Bau von Kernkraftwerken vor der eigenen Haustür bekämpft. Sie verurteilt nicht die Regierung des Iran wegen ihrer brutalen Innen- und aggressiven Außenpolitik, sondern rät den eigenen Regierungen von Sanktionen gegen den Iran ab, die nur zu einer »Eskalation« der Lage führen würden. Die hauptamtlichen Kaffeesatzanalysten, also die Politikberater und die Politikerklärer, betätigen sich gerne als Verharmloser, die über der Wirklichkeit schweben.

Der Nah- und Mittelostexperte Udo Steinbach beispielsweise hat im Jahre 2007 in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Orientinstituts in einem Zeitungsinterview erklärt, falls der Iran wirklich nach Atomwaffen strebe, dann nicht, um sie einzusetzen, sondern »um mit dem Westen auf gleicher Augenhöhe verhandeln zu können «. Vor allem ein Satz aus diesem Interview verdient es, für alle Zeiten festgehalten zu werden: »Europa wäre sicher das letzte Ziel, das dem Iran einfallen würde, falls er wirklich aggressive Absichten verfolgen sollte. Wenn eine Atommacht Iran entstünde und für irgendjemanden zur Bedrohung würde, dann eher für seine Nachbarn. Zum Beispiel für eine säkulare Türkei und natürlich für Israel. Ich glaube, dass Europa sich vom Iran in keiner Weise bedroht fühlen müsste.« Wenn es dem Iran also gelingen sollte, die säkulare Türkei oder Israel atomar zu pulverisieren, wäre das der natürliche Gang der Dinge, und solange der nukleare Fallout einen Bogen um das Ferienhaus von Udo Steinbach in der Holsteinischen Schweiz macht, müssen sich auch die übrigen Europäer keine Sorgen um ihr Wohlergehen machen.

Leute wie Steinbach bekommen Flankenschutz von Feuilletonisten wie der Schriftstellerin Katajun Amirpur, die nach sorgfältigem Studium der Ahmadinedschad-Reden zu der Überzeugung gekommen ist, der iranische Präsident wolle mitnichten Israel von der Landkarte austilgen, es würde ihm schon reichen, wenn das zionistische Regime »von den Seiten der Geschichte verschwinden« würde. Geht es um den Iran und seine Politik, scheint der Common Sense aufgehoben, beweist der gemeine Stammtisch oft mehr Sinn für Realitäten als die gebildeten Stände aus Wissenschaft und Politik, die gerne an Konferenzen und Tagungen mit Vertretern des Iran teilnehmen, um zu demonstrieren, dass sie sich »in keiner Weise« bedroht fühlen. Das alles findet vor dem Hintergrund einer politischen Moral statt, die für sich den Anspruch erhebt, aus der Geschichte gelernt zu haben, und den Ruf »Wehret den Anfängen!« zu ihrem Credo erhoben hat. Wird aber der Vergleich zwischen Ahmadinedschad und Hitler gezogen, geht die Antifa sofort in Kampfstellung: Damit werde Hitler verharmlost! In der Bundesrepublik steht zwar die Holocaustleugnung unter Strafe, aber das gilt nur für den letzten, nicht für den nächsten Holocaust. Der wirkliche Unterschied zwischen dem Dritten Reich und dem Iran von heute wird dabei geflissentlich übersehen: Es gab zur Zeit der Nazis kein Internet, keine Handys, mit denen man Filme machen und verschicken konnte, keine E-Mails und kein Skype. An den Rampen der Konzentrationslager standen keine Webcams, um die Ankunft der Transporte live zu übertragen. Der Widerstand war auf Kuriere angewiesen, die ihr Leben riskierten, um Nachrichten von Polen nach England oder umgekehrt zu bringen. Heute hingegen erleben wir alles in Echtzeit: Wir sind dabei, wenn die Twin Towers kollabieren und wenn die Demonstranten in Teheran auf die Straße gehen; wir nehmen an Erhängungen von Homosexuellen und an Steinigungen von Ehebrecherinnen teil. Niemand kann sich darauf berufen, dass die Untaten des Regimes im Halbdunkel unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, denn sie finden bei hellem Tageslicht vor unser aller Augen statt. Mögen die Mullahs auch keine Autobahnen und keine Gaskammern bauen – für das aufgeklärte, historisch alerte Europa müsste es reichen, wie sie die Baha’i behandeln und dass sie nach der Atombombe streben, um – wie Udo Steinbach sagt – »mit dem Westen auf gleicher Augenhöhe verhandeln zu können«.

Dieses Ziel haben sie bereits erreicht. Der Westen droht zwar seit Jahren mit Sanktionen, geht aber jedes Mal in die Knie, wenn die Mullahs zum Gebet rufen. Und so ist er auch der iranischen Protestbewegung in den Rücken gefallen, indem er ihr Freiheitsbedürfnis mit salbungsvollen Worten gewürdigt hat, um es anschließend zu verraten. Gernot Erler etwa, in der Großen Koalition Staatsminister im Auswärtigen Amt, verurteilte das Verhalten der iranischen Autoritäten, lobte den »unglaublichen Mut« der Demonstranten und forderte Maßnahmen, um die »Wahlmanipulation aufzuklären«. Zugleich aber sprach er sich dagegen aus, die diplomatischen Beziehungen zu Teheran abzubrechen: »Das wäre eine völlig falsche Reaktion, denn wir müssen gerade jetzt unsere Kontakte, unsere Möglichkeiten und auch unsere Einflusschancen nutzen, um das Schlimmste zu verhindern.« Was das in der Praxis bedeutet, machte Erler in einem Interview deutlich: »Das Einzige, was die Bevölkerung im Iran, die da so mutig ist, von uns erwarten kann, ist, dass wir das zur Kenntnis nehmen, was da passiert, dass wir darüber reden, dass wir das anprangern.« Das waren klare Worte, wie weit die Bundesrepublik zu gehen bereit ist, um das Teheraner Regime politisch abzumahnen – die Freiheit der Iraner war der deutschen Regierung nicht einmal eine zivile Sanktion wert. Wenn die lange Nacht der Ohnmacht und des Terrors eines Tages vorbei ist, werden sich manche Iraner daran erinnern, dass Gernot Erler im Auftrag der deutschen Regierung ihre Situation »zur Kenntnis« genommen hat.

Ein Auszug aus:
Verratene Freiheit - Der Aufstand im Iran und die Antwort des Westens
Thomas von der Osten-Sacken, Oliver M. Piecha, Alex Feuerherdt
Verbrecher Verlag, 2010

Cicero.de

Dienstag, 16. März 2010

Necla Kelek: Der organisierte Islam - Wer schützt die Muslime?

Bitte mit Vorsicht genießen, immerhin wurde Necla Kelek von der Islam-Konferenz ausgeschlossen. Trotzdem sollte man ihre Worte ernst nehmen: Wenn in einem so massiv mit Steuergeldern finanzierten Projekt wie der Duisburger Moschee die Integrationsangebote (welche die Nutzung der Steuermittel legitimiert haben) wie Deutschkurse abgebrochen und zurück gefahren werden, dann muss das Geld zurückgefordert werden.

Der organisierte Islam
Wer schützt die Muslime?

Von Necla Kelek



Es geht um Einfluss, so Necla Kelek, auch bei der Ditib-Moschee in Duisburg

16. März 2010 Anfang März stellte Innenminister Thomas de Maizière seine Ideen für eine zweite Islamkonferenz vor. Sein Konzept besticht durch drei klar formulierte Hauptthemen: das Verhältnis des Islams zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Imamausbildung und den islamischen Extremismus. Seitdem streiten die Vertreter des organisierten Islams darüber, ob sie überhaupt an einer solchen Diskussion interessiert sind oder ihre Teilnahme gleich aufkündigen. Nach außen hin empören sie sich natürlich über etwas anderes: den Ausschluss des Islamrates wegen seiner größten Mitgliedsorganisation, der „Milli Görüs“, gegen die Staatsanwälte wegen nicht geringer Vorwürfe (unter anderem Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Betrug) ermitteln.

Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM), in dem diese Verbände versammelt sind, hält die Öffentlichkeit und den Minister aber hin, wieder einmal, und verkündet alle paar Tage, dass die Entscheidung noch einmal vertagt wurde. Die zuerst zur Schau gestellte Solidarität mit der Milli Görüs scheint langsam zu bröckeln. Auf der einen Seite besteht der Islamrat auf Solidarität, auf der anderen Seite steht unter anderen Ditib, die um ihren Einfluss fürchtet, wenn sie die Konferenz boykottiert. Ihre Vertreter haben wohl noch in Erinnerung, wie kühl Angela Merkel sie 2007 hatte abblitzen lassen, als sie wegen des neuen Zuwanderungsgesetzes beleidigt dem Integrationsgipfel fernblieben.

Personelle und finanzielle Verbindungen

Aber da selbst Mohammed laut einem Hadith auf seiner Himmelsreise mit Gott über die Zahl der täglichen Gebete verhandeln konnte, glauben die Verbände, sie könnten nach alter Basarmentalität in göttlichem Auftrag mit der Regierung über die Zusammensetzung und Tagesordnung der Konferenz schachern. Sie vertagen die Entscheidung ein ums andere Mal, wollen neue Gespräche und mobilisieren ihre Unterstützer. Seit über drei Jahren geht es den Verbänden nur um eine Sache: Sie wollen als „Körperschaft öffentlichen Rechts“, wie die Kirchen, anerkannt werden, um Religionsunterricht nach eigenem Gusto anbieten zu können. Und sie wollen als alleinige Vertreter des Islams in Deutschland anerkannt werden. Über Fragen, die die deutsche Gesellschaft an die Muslime stellt - etwa zur Gleichberechtigung von Mann und Frau und was und von wem in Moscheen und Koranschulen gepredigt wird, wie sie mit den Fundamentalisten in den Moscheen umgehen -, darüber wollen sie nicht sprechen. Sie haben es in der ersten Periode der Konferenz verhindert und werden es wieder versuchen.

Die Kritik dieser Verbände am Innenminister bezieht sich auf mehrere Punkte. Zum einen akzeptieren sie nicht, dass der Islamrat suspendiert wurde. Der KRM kann es sich offenbar nicht leisten, den Islamrat alleinzulassen. Ein Grund sind die personellen und finanziellen Verbindungen und Abhängigkeiten der Islamverbände untereinander. Die 300 Moscheen von Milli Görüs werden über eine internationale Gesellschaft verwaltet, in der Ibrahim El-Zayat die Fäden zieht. El-Zayat ist mit der Nichte des Milli-Görüs-Gründers Erbakan verheiratet, der Bruder seiner Frau war jahrelang Vorsitzender der IGMG. El-Zayat ist gleichzeitig Präsident der Islamischen Gemeinde Deutschland (IGD), die wiederum im „Zentralrat der Muslime“ eine führende Rolle spielt. Wenn der Innenminister gegen Milli Görüs Bedenken hat, könnte er sie auch gegen IGD-Funktionäre hegen.

Machtpartizipation als Ziel

Der organisatorische Vorläufer der Islamischen Gemeinde ist eine Gründung der Muslimbrüder aus Ägypten. Einer der ersten Funktionäre dieses ersten Nachkriegs-Moscheebauvereins in München war der Muslimbruder Said Ramadan, der Vater des Predigers Tariq Ramadan. Aber das Netz der Abhängigkeiten im KRM ist noch dichter. Die jetzige Staatsführung der Türkei, Ministerpräsident Erdogan und Präsident Gül, waren vor Gründung ihrer AKP geistige Brüder und Parteifreunde des Milli-Görüs-Gründers Erbakan. Und diese geistige Haltung drückt sich auch in der Personalpolitik des von der türkischen Regierung angeleiteten Verbandes Ditib aus. Die Führer der etwa achthundert hauptamtlichen Funktionäre sind türkische Diplomaten. Man kann also sicher sein, dass bei der Entscheidung, ob die Deutsche Islamkonferenz scheitern soll, auch die türkische Regierung und ihre Religionsbehörde Diyanet mitreden.

Die türkische Regierung betreibt eine Europa-Politik, die auf Stärkung der türkischen und muslimischen Organisationen auch in Deutschland abzielt. Im März 2010 trafen sich in Istanbul Vertreter türkischer Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, um ihre Europa-Politik zu koordinieren. Anlass war der Gesetzentwurf der AKP-Regierung, die ein „Präsidium für Auslandstürken“ einrichten will. Ministerpräsident Tayyip Erdogan schloss in die Zuständigkeit seines Staatsministers für die Auslandstürken auch die Muslime ein: „Es ist nicht gerecht, wenn alle Muslime wegen einiger Randgruppen auf dieselbe Waagschale gesetzt werden und wenn sie allein wegen ihrer Kleidung und ihrer Religion oder gar wegen ihrer Sprache diskriminiert werden.“ Er nannte in diesem Zusammenhang Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie „Verbrechen gegen die Menschheit“. Ähnliche Formulierungen hatte er auch in seiner Kölner Rede 2008 für die Assimilation gebraucht.

Die Richtung ist klar. Die türkische Regierung will die Gruppenrechte ihrer Türken und Muslime in Europa stärken, es geht ihnen um „Partizipation“ der Gruppe an der Macht, nicht um die Integration der Bürger. Und genau diese Formulierungen hörte man am letzten Freitag vom Sprecher der Ditib, Bekir Alboga. Die Verbände wollen „das Recht auf ihr religiöses Leben“ durchsetzen. Sie meinen damit die Scharia. Wenn sie dies auf dem politischen Weg nicht erreichen, werden sie es wieder, wie Milli Görüs es seit Jahren vormacht, auf dem juristischen Weg versuchen. Mit Klagen, wie sie es beim Kopftuchverbot für Lehrerinnen, beim Schächten, bei der Befreiung vom Schwimmunterricht und beim Religionsunterricht getan haben.
Der Innenminister ist kein Moderator

Den Islamverbänden geht es um Einfluss, nicht um Integration. Ein konkretes Beispiel dieser Politik ist die als „Wunder von Marxloh“ weltweit gepriesene Ditib-Moschee in Duisburg. Mit Millionen Euro aus der EU und vom Land Nordrhein-Westfalen subventioniert, sollte die Einrichtung den interreligiösen Dialog befördern. Ein Jahr nach der Einweihung haben die konservativen Kräfte der Ditib den Moscheevereinsvorstand ausgewechselt, werden Deutschkurse gestrichen und interreligiöse Angebote gekürzt, so dass die kopftuchtragenden Besucherinnen der Moschee protestierten und forderten: „Wir wollen Deutsch lernen!“

Ob sie an der Konferenz teilnehmen, ist für die KRM-Verbände wie alles eine taktische, keine grundsätzliche Frage. Sie sind an einem demokratischen Diskurs nicht interessiert und keine Vertreter der spirituellen Bedürfnisse der Gläubigen, sondern Glaubensparteien, von niemandem gewählt, nur einer globalen Islamstrategie folgend. Ich hoffe, die Politik erkennt rechtzeitig, dass die Zeiten vorbei sind, in denen der Innenminister als Moderator auftreten kann.

Der Innenminister muss konsequent bleiben, und die Islamkonferenz muss im Zweifel auch ohne diese Verbände stattfinden. Man darf sich nicht von ihnen abhängig machen, Integration und der Diskurs über einen zeitgemäßen Islam sind zu wichtig. Eigentlich müsste die Regierung dieses Landes uns Muslime vor diesen klandestinen Interessen besser schützen als bisher.

FAZ

Montag, 15. März 2010

Der Westen muss die islamische Barbarei abwehren

Warum nur haben es kritische islamische Denker so unheimlich schwer gehört zu werden? Ich höre sie.

Der Westen muss die islamische Barbarei abwehren

Von Ibn Warraq 14. März 2010, 14:50 Uhr

Der Einfluss des Islam nimmt in Europa weiter zu. In Großbritannien existieren bereits 85 Scharia-Gerichte, die völlig unvereinbar mit westlichen Demokratien sind. Will der Westen keinen Selbstmord an seiner eigenen Zivilisation üben, muss er seine Werte verteidigen – wie es ein Geert Wilders tut.



Teilnehmer einer Demonstration gegen Scharia-Gerichte in London

Es ist jetzt 17 Jahre her, seit ich das erste Mal darüber geschrieben habe, was es bedeutet, wenn man sich auf die Forderungen von Muslimen einlässt, die im Westen leben; inzwischen ist offensichtlich, dass viele nicht vorhaben, sich an die sie empfangende Gesellschaft zu assimilieren. Stattdessen beharren sie darauf, dass sich das Gastland anpassen muss, indem es ihnen Sonderrechte und Privilegien gewährt.

Wenn wir nicht wachsamer sind, ist es wahrscheinlich, dass die europäische Gesellschaft stark verarmt, und all die hart erkämpften Errungenschaften und Freiheiten, soziale wie politische, in einer Orgie multikulturellen Liberalismus' verschleudert werden. Es könnte sogar die Gefahr bestehen, dass sich die europäischen Gesellschaften in religiöse und kulturelle Gettos aufspalten, jedes mit seinen eigenen Gesetzen. Zwei Dinge sollten wir dabei sorgfältig im Auge behalten: die Scharia und die Meinungsfreiheit.

Im Februar 2008 stellte der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, zustimmend fest, dass „die Anwendung der Scharia unter bestimmten Umständen“ in Großbritannien „unvermeidbar“ sei. In mehreren Interviews ließ er keinen Zweifel daran, dass er die Vorstellung „ein Recht für alle“ gefährlich fand – ein Eckpfeiler der westlichen Zivilisation, Gleichheit vor dem Gesetz: eine Gefahr!

Im Juli 2008 sah der Oberste Richter von England und Wales, Lord Phillips, keinen Hinderungsgrund, in Streitfällen die Scharia als Grundlage einer Vermittlung einzusetzen.

In Großbritannien arbeiten heute bereits 85 Scharia-Gerichte, sie wenden islamisches Recht an, um häusliche, familiäre und geschäftliche Streitfälle zu lösen; viele dieser Gerichte sind in Moscheen angesiedelt. Dabei bedroht die pure Existenz der Scharia-Gerichte die Rechte und Freiheiten von Individuen und die Vorstellung von einem Rechtssystem, das auf Gesetzen beruht, die von gewählten Volksvertretern beschlossen wurden.

Solche Scharia-Gerichte sind ihrem Wesen nach sektiererisch, sie verschärfen die religiöse und soziale Spaltung der Gesellschaft, und sie erheben einige Muslime über das Recht, das der Rest der Gesellschaft befolgen und respektieren muss. Prinzipiell, versichern uns sorglose Regierungsvertreter, dürften solche Gerichte nicht gegen das Recht des Landes urteilen.

Aber einige der Entscheidungen solcher islamischer Tribunale werden bereits als rechtlich bindend angesehen, und sie könnten von Zivilgerichten in England und Wales bestätigt werden. Die Untersuchung eines führenden Think Tanks in London, Civitas, fand jüngst heraus, dass es unter diesen Entscheidungen solche gab, die illegale Handlungen beinhalteten und andere, die Menschenrechtsstandards britischer Gerichte missachteten.

Die Scharia ist totalitaristisch

Das islamische Recht beziehungsweise die Scharia, zum Teil aus dem Koran abgeleitet und aus den Taten und Worten des Propheten, wird als gottgegeben angesehen, als unveränderlich und unfehlbar. Das ist eine totalitäre Konstruktion, die darauf abzielt, jeden einzelnen Aspekt des Lebens eines Muslims zu kontrollieren, selbst eines Nicht-Muslims – und deshalb ist dies vollkommen unvereinbar mit westlichen, liberalen Demokratien und den Menschenrechten.

Das islamische Recht diskriminiert Frauen; sie dürfen nur die Hälfte dessen erben, was Männer erben; Männer dürfen Frauen schlagen; vor Gericht zählt die Aussage einer Frau nur halb so viel wie die eines Mannes; muslimische Frauen dürfen keine Nicht-Muslime heiraten; die Scharia schreibt bei Ehebruch Steinigung bis zum Tode vor; Amputation der Hände bei Diebstahl; Kreuzigung für den, der Unruhe stiftet; Homosexuelle und Apostaten gehören hingerichtet.

In anderen Worten: Muslime wollen Praktiken einführen, die wir im Westen vor vielen Jahren als barbarisch verworfen haben und die vor allem Frauen Menschenrechte verweigern. Das englische Recht, eines der Fundamente der britischen Gesellschaft, ist im Gegensatz zum festgeschriebenen islamischen Recht eng verbunden mit den Realitäten des menschlichen Lebens und Streitens und entwickelt sich deshalb immer weiter.

Radikaler Islam bedroht die Meinungsfreiheit

Eine der größten Errungenschaften der westlichen Zivilisation ist außerdem die Meinungs- und Redefreiheit. Auch sie wird bedroht durch die Forderungen des radikalen Islam. Die Freiheit, alles zu hinterfragen, ohne Tabus und politische Korrektheit, ist essenziell für sozialen, politischen, religiösen und wissenschaftlichen Fortschritt, um Irrtümer zu erkennen und näher zur Wahrheit vorzudringen. Deshalb ist Meinungsfreiheit für eine Demokratie unverzichtbar, sie ist ein Mittel, um die Exzesse jener zu korrigieren, die an der Macht sind, und um Vernunft in die öffentlichen Angelegenheiten zu bringen.

Vielen im Westen scheint entgangen zu sein, dass es schon beim Menschenrechtsrat in Genf den islamischen Staaten gelungen ist, Resolutionen durchzubringen, die das Wesen der Meinungsfreiheit unterminieren, ein Prinzip, das in Artikel 18 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 festgeschrieben wurde. Die Scharia und den Islam zu kritisieren, ja sie nur zu erwähnen, ist künftig verboten.

Deswegen steht in dem Verfahren gegen den niederländischen Politiker und Islamkritiker Geert Wilders in Amsterdam die westliche Zivilisation selbst vor Gericht. Nicht nur wurde Wilders ein faires Verfahren verwehrt, indem man ihm nicht erlaubte, die von ihm gewünschten Zeugen zu hören – man hätte ihn überhaupt nicht vor Gericht stellen sollen. Wilders hat das Recht, den Islam zu kritisieren, und mit seiner Kritik weist er auf die barbarischen Aspekte des Korans hin, der Hass gegen Juden, Christen und andere Nicht-Muslime predigt. Wilders hat nichts erfunden, er gibt lediglich eine wahrheitsgemäße Darstellung des wahren Inhalts der heiligen Schrift der Muslime.

Oder anders gesagt: Er nimmt nicht nur sein Recht der freien Rede in Anspruch, Wilders sagt tatsächlich die Wahrheit, seine Vorwürfe gegen den Koran haben Substanz. Selbst viele Liberale im Westen beklagen oft das Fehlen einer Reformation im Islam, möchten aber paradoxerweise Menschen wie Geert Wilders, Ayaan Hirsi Ali, Salman Rushdie und Wafa Sultan keine volle Meinungsfreiheit zugestehen. Aber wie soll jemals eine Reformation oder besser: eine Aufklärung im Islam beginnen, ohne dass mal irgendjemand irgendwo diese am meisten kritikwürdige Religion und deren heilige Schrift kritisiert?

Der Islam braucht eine Aufklärung

Reformen im Islam hieße lediglich, Anpassungen und Modifikation an etwas vorzunehmen, das im Kern immer noch ein theologisches Konstrukt bliebe, sie würden eine immer noch theologisch entworfene und geordnete Gesellschaft zur Folge haben. Was wir brauchen, ist eine Bewegung der Aufklärung in der islamischen Welt und im islamischen Denken. Denn in der Geschichte Europas war die Aufklärung der dramatischste Schritt zu Säkularisierung und Rationalismus – mit nicht minder bedeutenden Folgen für die gesamte Welt.

Und das Werk, das mehr als jedes andere diese tief greifende Revolution der Menschheitsgeschichte bewirkt hat, ist Spinozas Tractatus theologico-politicus, veröffentlicht im Jahre 1670. Für Spinoza war die Bibel ein ausschließlich menschengemachter, säkularer Text und die Theologie keine unabhängige Quelle der Wahrheit. So wie die Bibelkritik die europäische Aufklärung einleitete, kann nur die Korankritik, die bisher so weit hinterherhinkt, zu einer islamischen Aufklärung führen.

Geert Wilders verdient Applaus, man sollte ihn als Helden feiern, nicht nur dafür, dass er die richtigen Schritte unternimmt, um Muslimen zu helfen, eine eigene Aufklärung zu schaffen, sondern auch für seinen mutigen Kampf zur Verteidigung der westlichen Werte. In den Worten von John Stuart Mill: „Ein Mensch, der nichts hat, für das er bereit wäre zu kämpfen, und dem nichts wichtiger ist als seine persönliche Sicherheit, ist eine armselige Kreatur ohne die Chance, frei zu sein; außer er wird es und bleibt es durch die Anstrengung jener, die größer sind als er selbst.“ Wilders ist weitaus größer als diejenigen, die ihn vor Gericht brachten und die kollektiv entschlossen zu sein scheinen, einen Selbstmord an ihrer Zivilisation zu verüben.

Der Autor

Ibn Warraq wurde 1946 im indischen Rajkot als Muslim geboren, wandte sich später aber vom Islam ab. Er studierte an der Universität Edinburgh beim Orientalisten William Montgomery Watt. Angesichts der schwachen Reaktionen westlicher Intellektueller auf die Todes-Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie begann Warraq 1993 sein Buch „Warum ich kein Muslim bin“ (auf Deutsch bei Matthes & Seitz, Berlin, 2004).

Als es 1995 erschien, war er Professor für britische und amerikanische Kultur in Toulouse. Aus Sicherheitsgründen legte er sich das Pseudonym Ibn Warraq zu. Er gehört zu den Autoren des „Manifestes der 12“ gegen den Islamismus als „neue totalitäre Bedrohung“ von 2006, das u.a. Ayaan Hirsi Ali, Bernard-Henri Lévy, Irshad Manji, Taslima Nasreen und Salman Rushdie unterzeichneten.

(Übersetzung: Rainer Haubrich)


Quelle