Donnerstag, 25. März 2010

Erdogan will mehr türkische Gymnasien in Deutschland

Schon Niklas Luhmann sagte, dass Gesellschaft nur soweit reicht, wie Kommunikationen reichen. Spricht jemand in Deutschland kein Deutsch, kann er nicht an der Gesellschaft teilhaben. Die deutsche Sprache ist also ein Muss für Integration.

Erdogans Forderung ist fatal für die Integration

Der Regierungschef der Türkei will türkische Kinder in Deutschland in ein sprachliches Ghetto stecken. Mit seiner Forderung nach türkischen Gymnasien brüskiert er viele türkische Eltern. Die wissen, dass die deutsche Sprache fundamental für Integration und sozialen Aufstieg ist.



Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan fordert türkische Gymnasien in Deutschland

Wenn es nach dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan geht, bräuchten wir endlich türkische Gymnasien in Deutschland, um das anhaltende Sprachproblem der hiesigen Türken mit einer besseren Beherrschung des Türkischen zu beheben. Das ist auf den ersten Blick nicht einmal gänzlich abwegig, weil eine Sprache richtig zu können besser ist, als zwei Sprachen nur halb zu beherrschen. Nicht nur unter Türken der zweiten und dritten Generation in Deutschland, genauso auch unter Italienern und anderen Einwanderergruppen, die aus entlegenen Regionen und bildungsfernen Schichten zu uns kamen, gibt es zuweilen erschreckende Fälle von Halbsprachlichkeit. Menschen, die Sachverhalte in keiner Sprache richtig ausdrücken können.

Dennoch weist der Vorstoß in die falsche Richtung – und schlecht informiert ist er auch. Tatsächlich erleben türkische Privatschulen und auch Gymnasien ja im Moment einen regelrechten Boom in Deutschland. Gegründet werden sie von aufstiegsorientierten Eltern der türkischen Mittelschicht, die wie viele deutschstämmige Eltern kein Vertrauen mehr haben, dass ihre Kinder an staatlichen Schulen ausreichend gefördert werden. Anders als es Erdogan vorschwebt wird Türkisch dort aber nur als zweite oder dritte Fremdsprache gelehrt, weil ambitionierte Eltern wissen, dass eine gute Beherrschung der deutschen Sprache das Entreebillet ist für beruflichen Erfolg und eine gelingende Integration.

Wie schon in seiner Kölner Rede zeigt Erdogan nun abermals, wie wenig er generell von der Integration der Türken in europäische Gesellschaften hält. Bei diesem Thema ähneln seine Ansichten auf erstaunliche Weise denen der alten kemalistischen Eliten in der Türkei. Erdogan sieht die bei uns eingewanderten Türken als eine Art nationale Reserve, die sich bei Bedarf für die Interessen der Türkei nutzbar machen lässt. Das scheint dem türkischen Regierungschef allemal wichtiger zu sein, als den hier lebenden Türken Lebens- und Zukunftschancen zu eröffnen.

Deutschland hat lange gebraucht, bis es sich eingestanden hat, dass die, die einst als Gastarbeiter gekommen sind, nicht wieder in ihre Heimatländer zurückgehen, sondern mit ihren Kindern und Enkeln inzwischen Teil der deutschen Gesellschaft geworden sind. Und dass ihre Integrationsprobleme somit eben auch die Aufgabe aller sind.

Deshalb ist es so fatal, wenn Erdogan die hier lebenden Türken wieder in ein sprachliches Getto drängen will, aus dem sie etwa die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer mit ihrer Kampagne „Keine Zukunft ohne gemeinsame Sprache!“ gerade herausholen möchte. Erdogans Appell ist ein schlechter Rat für die hier lebenden Türken. Es ist aber auch kontraproduktiv für die Hoffnungen der Türkei, irgendwann der EU beitreten zu können. Denn je schlechter integriert die in Europa lebenden Türken sind, desto größer wird der Widerstand in den europäischen Gesellschaft gegen eine Aufnahme ihres einstigen Heimatlandes. Es wird also Zeit, dass sich auch die Türkei von einer Lebenslüge verabschiedet.

Welt

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