Eine der über 11.000 Karikaturen: Ein patriarchalischer Prophet, der schamlos Frauen versklavt.
Bei aller Unsensibilität gegenüber gläubigen Muslimen noch eine der harmloseren Darstellungen.
Die "South Park"-Zensur und ihre Folgen
Den Grundstein für diese außergewöhnliche Aktion legte Comedy Central. Wenige Wochen zuvor sollten die Jubiläumsfolgen 200 und 201 der Ulk-Cartoon-Serie South Park über die amerikanischen Bildschirme flimmern. Die Serie ist für ihren derben Humor bekannt und vor allem auch dafür, vor nichts und niemandem Respekt zu haben.
Die Jubiläumsdoppelfolge hat eine an sich nicht ernstnehmbare Handlung: Die Kinder identifizieren bei einem Schulausflug in South Parks Kuchenfabrik Hollywood Star und Ober-Scientologen Tom Cruise als einfachen Arbeiter am Fließband, der sich angegriffen fühlt als solcher bezeichnet zu werden. Nachdem er South Park mit Klagewellen droht, die der Stadt das finanzielle Rückgrat brechen, schmiedet er einen finsteren Plan: Als Schuldenerlass soll South Park den Propheten Mohammed fangen, damit Tom Cruise sich von ihm die Fähigkeit des Nicht-kritisiert-werden-könnens stehlen kann.
In den besagten South Park Episoden ging es folglich nicht um den Propheten an sich, sondern um das Abbildungsverbot und somit standen die Folgen in der Tradition der dänischen Karikaturen aus dem Jahre 2005, die in der islamischen Welt nach Instrumentalisierung und Indoktrination durch radikale Imame schwere Proteste mit über 100 Toten auslöste, in der sogar dänische und norwegische Botschaften in Flammen gesetzt wurden. Mehr zu den damaligen Geschehnissen hier.
Nachdem bekannt wurde, dass der Prophet Mohammed gezeigt werden sollte, erhielt Comedy Central von Drohungen von der Islamisten-Website revolutionmuslim. Die für ihre Radikalität bekannten Konvertiten, die diese Seite betreiben schickten "keine Drohung, aber eine Warnung", dass die South Park Macher Matt Parker und Trey Stone wie Theo van Gogh, der im November 2004 nach Veröffentlichung des mit Ayaan Hirsi Ali produzierten Filmes "Submission" brutal auf offener Strasse ermodert wurde, enden können, wenn sie den Propheten zeigen. In dem Schreiben veröffentlichte revolutionmuslim die Anschriften des Comedy Central Studios und einiger Mitarbeiter. Auch wenn dies eindeutig eine Morddrohung war, war alles so schwammig formuliert, dass rechtlich nicht gegen die Betreiber von revolutionmuslim vorgegangen werden konnte.
Comedy Central ließ sich von den Drohungen einschüchtern und zensierte die beiden "South Park"-Folgen eigenmächtig und gegen den Willen Parkers und Stones mit der Begründung der Sorge um das Wohl seine Mitarbeiter.
Auf das Einknicken des Senders vor der Extremisten folgte ein Sturm der Entrüstung. Ist es richtig, dass die religiösen Gefühle einer Glaubensgemeinschaft gewahrt werden müssen? Müssen die Bewohner der westlichen Hämisphere, die sich in jahrhundertelangen Kämpfen ihrer Rechte frei zu denken, frei zu forschen, frei ihre Gedanken zu verbreiten blutig gegenüber der katholischen Kirche erkämpfte, Rücksicht auf ein Kultursytem nehmen, welches seit Jahrhunderten in mittelalterlichen Dogmen gefesselt ist, unfähig sich von diesen zu befreien? Könnten die Karikaturen nicht vielleicht sogar ein Denkanstoß, eine Art "Zivilisationskatalysator" sein? Viele Internetnutzer sahen die elemantaren Rechte der freien Meinungsäußerung, der Kunst- und Pressefreiheit in Gefahr. In den Tumulten dieser frühen Tage wurde Revolutionmuslim gehackt und der geneigte Besucher auf eine Seite mit Kurt Westergaards berühmter Karikatur weitergeleitet. Gerüchte besagen, dass die Scherz-Community 4Chan dafür verantwortlich war.
Doch Widerstand regte sich auch von anderer Seite: Die aus Seattle stammende Karikaturistin Molly Norris entwarf ein Plakat (siehe unten), welches den 20. Mai 2010 zum "Everybody Draw Mohammed Day" erklärte. Die Idee hinter ihrem Cartoon war, dass radikale Islamisten niemals alle Internetnutzer bedrohen könnten, wenn diese koordiniert an einem Tag ihre Werke publizierten. Als Molly Norris die Konsequenzen dieser Aktion klar wurden, distanzierte sie sich rasch von dem Vorhaben, entschuldigte sich bei den Muslimen und erklärte den Tag für abgeblasen. Das Plakat an sich sei satirisch gemeint und niemals ein wirklicher Aufruf gewesen. Auch wenn ihr niemand zum Vorwurf machen kann, dass sie um ihr Leben fürchtete, fand die Idee regen Anklang und war nicht mehr aufzuhalten.
Es gründete sich eine Facebook-Seite zum "Everybody Draw Mohammed Day", die zuerst etwa 15.000 Anhänger hatte und am Tag des Events über 100.000 Anhänger erreichte. Die Aktion sprach sich schnell im Internet herum und wurde viral. So fanden sich bei unter anderem bei YouTube kontrovers diskutierte Plädoyers für die Teilnahme an der Aktion, die zur Verteidigung der westlichen Freiheit stilisiert wurde, was bei der aufgeheizten Situation nicht weiter verwunderlich war. Ein besonders gelungenes Exemplar gibt es hier zu sehen:
Der Angriff auf Lars Vilks
Für einen zusätzlichen Anheizer dürfte Mitte Mai der Angriff auf den schwedischen Karikaturenzeichner Lars Vilks gesorgt haben, der von einem Fundamentalistenmob auf einer Veranstaltung zum Thema "Die Grenzen der Meinungsfreiheit" der Universität Uppsala attackiert wurde. Gegen Vilks gibt es auf Grund seiner Zeichnung, die Mohammed mit Hundekörper auf einem Kreisverkehr zeigt, seit Jahren Morddrohungen. Unmittelbar nach den Geschehnissen des Vortrages wurde Vilks Haus mit Brandsätzen beschädigt. Die Täter sind verdächtigt zwei 19 und 20 Jahre alte Kosovaren zu sein, von denen sich einer beim Anschlag selbst so schwere Brandverletzungen zu zog, dass er ein Krankenhaus aufsuchen musste, in dem er direkt von der Polizei verhaftet wurde.
Reaktionen der muslimischen Welt
Bei vielen Muslimen löste das Bekanntwerden der Aktion Unverständnis und Empörung aus. Die Reaktionen reichten von Kopfschütteln bis Morddrohungen gegen die Karikaturisten, die angesichts der Masse von Zeichnern allerdings als unmöglich gelten. Auf Facebook, das unfreiwilligerweise zum Werkzeug und Hauptquartier der Karikaturisten wurde, bildeten sich mehrere Gegengruppen, die ein Verbot und eine Abschaffung der "Everybody Draw Mohammed"-Gruppe forderten. Diese Gruppen erreichten teilweise eine ähnlich hohe Mitgliederanzahl wie die Aktionsgruppe selbst.
Das islamische Land Pakistan sperrte sogar von Staatswegen Facebook, später auch YouTube und 450 andere Seiten, denen vorgeworfen wurde "gotteslästerliche Inhalte" bereitzustellen. Pakistan setzte Facebook massiv unter Druck und drohte damit, die Sperrung frühestes aufzuheben, wenn diese die "Everybody Draw Mohammed"-Gruppe löschten.
Der Aktionstag an sich war ein voller Erfolg für die Karikaturenbewegung. Es wurden weit über 11.000 Karikaturen eingestellt, bei denen von einem bloßen Portrait eines bärtigen Mannes mit Turban (der beliebteste Mohammed-Stereotyp) bis zu beleidigenden Bildern, die Mohammed beim Analverkehr mit Schweinen oder Al-Kaida-Führer Osama Bin Laden zeigen, alles vorhanden war. Diese als gezielte Provokation verstandene Aktion trug fruchtbare Ergebnisse im Internet: In vielen größeren Foren wurde von den Nutzern darüber diskutiert, ob die im Islam verbotene Darstellung des Propheten verwerflich ist oder im Jahre 2010 unproblematisch sein sollte. Jeder, schien eine Meinung zu den Vorgängen zu haben, was allein schon als Erfolg gesehen werden muss.
Facebooks Dolchstoß
In der muslimischen Welt wurde auf Grund der Proteste wieder von Tausenden aufgebrachten Muslimen demonstriert und westliche Flaggen verbrannt. "Der Westen" wurde wie schon 2005 für diese unglaubliche Provokation verteufelt und Einschüchterungsversuche gestartet. Das unten eingefügte Video zeigt die Geschehnisse in Pakisten. Junge, offensichtlich schlecht gebildete Muslime protestieren in religiösem Eifer gegen die Heresie gegenüber dem Propheten. Die Menschen dort sind der festen Überzeugung, es würde einen Unterschied machen, ob ihr heiliger Prophet gezeichnet oder nicht. Einer der Geistlichen schwört seine jungen Schüler sogar schon darauf ein, dass diese sich später für den Propheten im Kampf gegen den Westen und die freie Meinungsäußerung opfern müssten - was zweifelsohne ein Skandal mit barbarischem Anstrich ist.
Klicken für "Protests in Pakistan as Facebook anger grows"
In der Nacht auf den 21. 5. kam dann das Unvorstellbare, wenn ich nicht Unvorhersehbare. Facebook löschte die Gruppe des "Everybody Draw Mohammed Day" und stellte sich somit in eine Reihe mit Comedy Central. Der Islamismus hat durch sein lautes Schreien wieder einmal über die Meinungs- und Kunstfreiheit gesiegt. Wahrscheinlicher scheint aber der ökonomische Verlust in Pakistan zu sein, den Facebook durch die Sperrung verzeichnen dürfte. Facebook sieht es also so, dass Meinungsfreiheit dort aufhört, wo Geld Verdienen beginnt.
Und was hat es gebracht?
Der "Everybody Draw Muhammad Day" hat das Internet (und damit die Weltgemeinschaft) bewegt. Der ewige Kampf zwischen Demokratie und Theokratie, der das bestimmende Thema dieses Jahrhunderts ist, ging damit in eine neue Runde: Die Karikaturen-Aktion polarisierte, verursachte quer über die Welt Diskussionen und trieb allein dadurch schon die geistige Vorbereitung der islamischen Welt für Säkularisierung voran. Facebooks unglückliche Entscheidung kleinbei zu geben, dürfte auch seine positiven Seiten haben: Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Tag sich jährlich wiederholen wird und die Aktivisten werden sich eine neue Zentrale suchen, die sich nicht so einfach abstellen lässt. Freidenkende Menschen werden auch in Zukunft einen Rückfall in vormoderne Gesellschaftsstadien zu verhindern wissen, in dem sie sich nicht von religiösen Fanatikern das Wort verbieten lassen, die "ohnehin nicht mehr können als sich mit Dreck zu bewerfen und im Kreis zu stampfen", wie es ein Aktivist ausdrückte.
Der Everybody Draw Mohammed Day 2010: So provozierend, so kontrovers, so nötig.
subjektivekommentare.blogspot.com am 22.5.2010
Update (24.5.2010): Scheint als wäre Facebook nicht für die Löschung der Gruppe verantwortlich gewesen. Die Gruppe ist wieder hergestellt:
This page
was removed two days ago, after one of our moderators had his email and skype
hacked. His personal data was revealed. He then got scared and deleted the
...page, the blog and the emails. The rest of us, are now back without him after
he backed out. This is another scare tactic from the Islamic
extremists. We won't fall.
A great big thank you to the facebook-gang for restoring the page. A great big thank you to all freedom lovers out there. Now we have new persons to handle the media and we will soon release some info about the past few days. And to all of you: One can never beat freedom of speech, opinion and idividuality, because they are all basic human rights.
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