Sonntag, 11. April 2010

Das Ende Europas? Ansichten zur Integration der Muslime

Das Ende Europas?
Ansichten zur Integration der Muslime

Von Siegfried Kohlhammer


Als die französische Theaterregisseurin Rayhana Anfang des Jahres nur knapp einem Terrorattentat entging, fragte die Internationale Liga für Frauenrechte: »Wer hätte sich vorstellen können, dass im Frankreich des Jahres 2010 eine Frau nur deshalb angegriffen wird, weil sie ein Theaterstück geschaffen hat, das Islamisten missfällt?« Ja, wer hätte sich das vorstellen können? Ich zum Beispiel, und recht bedacht wohl auch der Rest der Menschheit, soweit er nicht seit über dreißig Jahren im Koma liegt oder anderweitig ebenso ignorant, weltfremd und realitätsblind ist wie die Internationale Liga für Frauenrechte. Zur Verbesserung des Vorstellungsvermögens seien hier einige Bücher empfohlen.

Wer die Weltläufte – auch die turbulenten und bedrohlichen – mit kühler Distanz und Gelassenheit beschrieben und analysiert sehen mag, wird sich von den Titeln der fraglichen Werke eher abgestoßen fühlen. Aber es wäre ein Fehler, sie deshalb nicht zur Kenntnis zu nehmen, enthalten sie doch eine Fülle meist gut belegter Fakten und Analysen, die auf eine besorgniserregende Entwicklung hinweisen.

Der amerikanische Journalist Christopher Caldwell stellt Reflections on the Revo lution in Europe an.(1) »Can Europe be the same with different people in it?«, lautet die Frage auf dem Umschlag, und Caldwells Antwort ist ein klares Nein. Der Titel spielt natürlich auf Edmund Burkes Werk an, was freilich den Mund recht voll nehmen heißt; dass sich eine der Französischen Revolution vergleichbare Veränderung in Europa abzeichnet, vermag Caldwell nicht plausibel zu machen; und abgesehen davon war die Französische Revolution allem Blut und Terror zum Trotz ein großer Schritt auf dem Weg zur Freiheit – das wäre eine Islamisierung Europas nicht.

Bruce Bawer, ein in Norwegen lebender amerikanischer Autor, legte 2006 While Europe Slept vor und 2009 Surrender: Bawer versteht es, polemische Verve mit anschaulicher Schilderung und gründlichen journalistischen Recherchen zu verbinden – die von ihm geschilderten Fälle sind zuweilen geradezu unfassbar. Das gilt auch für Melanie Phillips Londonistan, das die Entwicklung von Teilen Großbritanniens zum Hauptquartier des militanten Dschihad schildert und die von der Mehrzahl der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Eliten gewollte angestrengte Ignorie rung dieser Tatsache.(2)

Nicht ausschließlich, aber doch überwiegend beschäftigt sich auch Walter Laqueur in The Last Days of Europe mit dem Problem der muslimischen Immigration und sieht darin einen der Hauptgründe für das Ende des alten Europa. Bat Ye’or, Verfasserin instruktiver Werke zur Lage der Minderheiten in den islamischen Ländern, sieht gar ein Eurabia entstehen, worin die Völker Europas unter arabisch-islamischer Herrschaft im Status der Dhimmitude leben werden. Das ist wenig überzeugend, gleichwohl sind die von ihr vorgelegten Dokumente, zumal was die Unverantwortlichkeit sowie den Mangel an Öffentlichkeit und Rechenschaftspflicht der EU in der Frage der Migration und den Beziehungen zu den arabischen Ländern betrifft, beden kenswert.(3)

Eher sozialanthropologisch untersucht Lee Harris’ The Suicide of Reason die islamische Welt und die des modernen Westens und zeigt das Dilemma einer Konfrontation beider auf, bei der der Westen nur verlieren kann, wenn er an seinen Prinzipien festhält.(4) Der flotte Slogan »Wir werden sie durch unsere Toleranz besiegen!« verkennt, dass es Bewegungen gibt, die sich nicht durch Toleranz besiegen lassen. Dafür hat gerade auch die neuere Geschichte reichlich Anschauungsmaterial geboten. Was ist also in dem Dilemma zu tun, damit sie nicht uns durch unsere Toleranz besiegen?

Jytte Klausen teilt in The Islamic Challenge die Besorgnis der obigen Autoren nicht, im Gegenteil, es gibt keine »Islamic Challenge«, und bis auf eine kleine Minderheit militanter Islamisten sind Letztere alle integrationsbereit. Integration bedeutet für Klausen eine Bringschuld des Gastlandes: »Als die Muslime erst einmal ihre Integration verlangten, wurde offensichtlich, wie sehr die Europäer und ihre Regierungen sich würden ändern müssen, um jenen entgegenzukommen.« Die Integrationsbereitschaft wächst gewiss, wenn die Anpassungsleistungen von der anderen Seite erbracht werden müssen. Klausen scheint jedoch die Integrationsbereitschaft der Yale University Press nicht recht würdigen zu wollen, wo ihre Untersuchung der dänischen Mohammed-Karikaturen und der weltweiten Folgen erschienen ist und der Verlag sich in einem Akt vorauseilenden Gehorsams weigerte, die fraglichen Karikaturen und andere Bilder Mohammeds in dem Band abzubil den.(5)

Klausen gelangt zu ihrem positiven Bild muslimischer Integrationsbereitschaft aufgrund solider sozialwissenschaftlicher Erhebungen, wobei aber der größte Teil der von ihr Befragten diese Integrationsbereitschaft bereits durch Wort und Tat bewiesen hatte: Vor allem Mitgliedschaft und Aktivität in politischen Parteien und Bürgerorganisationen waren das Auswahlkriterium. Das ist ein wenig so, als ob man für eine Untersuchung zur Armut in Deutschland Befragungen in Sylt und Starnberg vornähme und dann erklärte, dass von Armut keine Rede sein könne, im Gegenteil. Gleichwohl lohnt es sich, das Buch als Korrektiv zu den oben angeführten Werken zu lesen, zumal Klausen einen zentralen Problempunkt aufdeckt, der bislang nicht genug beachtet wurde: Wie wenig die meisten europäischen Staaten im strengen Sinne säkular sind, wie sehr sie historisch in der Trennung von Staat und Kirche bei der Herausbildung der modernen Nationalstaaten Kompromisse mit den Kirchen machten oder machen mussten, die nun im Hinblick auf die rechtliche Gleichheit der Religionen, also auch der islamischen, zu Problemen werden.

Hervorheben will ich die Bremer Habilitationsschrift Staat und Migration von Stefan Luft, einen vorzüglichen Ratgeber in allen Fragen der Migration nach Deutschland.(6) Interessant ist Luft auch deshalb, weil die Integrationsprobleme in Deutschland auch bei ihm ein zentrales Thema darstellen, er aber weitgehend auf Kategorien wie Islam, Muslime etc. verzichtet und vor allem soziologischen, soziokulturellen, ökonomischen und anderen »säkularen« Erklärungsmodellen vertraut. Staat und Migration unterscheidet sich von den meisten Werken zur Migrationsforschung durch seine Ablehnung von Migrationsforschung als einer Leidensgeschichte, mit den Migranten einzig als Opfern der Mehrheitsgesellschaft – diese Sicht ist auch insofern falsch, als sie die Gewinne, ökonomisch und freiheitlich, der meisten Migranten in den Hintergrund rückt.

Niemals zuvor in der Migrationsgeschichte hat es einen derartig hohen Grad an materieller, rechtlicher und ideologischer Unterstützung der Migranten von staatlicher und nichtstaatlicher Seite gegeben wie im heutigen Europa, und Deutschland nimmt dabei einen der Spitzenplätze ein. Seit Jahrzehnten werden hier erhebliche Summen für Integration ausgegeben, in die Sprachprogramme allein sind Milliardenbeträge investiert worden. Schon die Gastarbeiter in den sechziger Jahren waren von Anfang an arbeits- und sozialrechtlich gleichgestellt, erhielten also Tariflohn, Arbeitslosengeld und -unterstützung, Kinder- und Wohnbeihilfe, BAFÖG, ärztliche Betreuung – das volle Programm. Das hatte denn auch zur Folge, dass das (1973 eingestellte) Gastarbeiterprogramm zwar für die Privatwirtschaft, auf deren Druck es eingeführt worden war, einen Erfolg darstellte, nicht aber gesamtwirtschaftlich, da die Folgekosten die Gewinne schließlich übertrafen. Generell gilt in Europa, dass die Migranten insgesamt den Wohlfahrtsstaat mehr kosten, als sie zu ihm beitragen. Eine Lösung der Probleme Europas durch mehr Migranten, wie sie die EU wünscht, ist eher unwahrscheinlich.

Während früher den Einwanderern selbst die Last der Integration auferlegt wurde – und sie funktionierte in der Regel, auch ohne Sozialhilfen und Wohlfahrtsstaat und Antidiskriminierungsgesetze –, gilt heute Integration immer mehr als in die Verantwortung des Staates fallend. Und doch sind die Ergebnisse insgesamt immer dürftiger. »Nie zuvor in der Geschichte der Migration gab es so viel Rücksichtnahme und Planung. Doch die Ergebnisse waren dürftig.« (Laqueur) Das hatte unter anderem zur Folge, dass der Anteil der Erwerbstätigen unter den Migranten stetig sank und eine Lebensplanung auf der Grundlage von Sozialhilfe möglich wurde. So machen etwa die Muslime in Dänemark 5 Prozent der Bevölkerung aus, nehmen aber 40 Prozent der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen in Empfang – und andere Länder weisen ähnliche Missverhältnisse auf. »Die Muslime in Europa erhielten mehr wohlfahrtsstaatliche Leistungen als jede andere Gruppe irgendwo und irgendwann.« (Bawer). Omar Bakri Mohammed, Gründer der islamistischen Hizb ut-Tahrir in England, lebte mit seiner Familie von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen in der Höhe von circa 2000 Pfund im Monat. »Der Islam erlaubt mir, die Leistungen des (wohlfahrtsstaatlichen) Systems in Anspruch zu nehmen. Ich bin ohne Einschränkungen anspruchsberechtigt. Ohnehin lebt ja der größte Teil der Führerschaft der islamischen Bewegung von Sozialhilfe.«

Überall in Europa, wo eine nennenswerte Zahl muslimischer Zuwanderer sich niedergelassen hat, stößt man auf dieselben Probleme – und es scheint dabei keine Rolle zu spielen, ob die Muslime aus Pakistan oder aus der Türkei kommen, aus Algerien oder aus Bangladesch. Diese Probleme scheinen alle ihren Grund in der zunehmend misslingenden Integration zu haben, wobei gerade auch die zweite und dritte Generation, die traditionell die Integration schaffte, nicht besser integriert sind. Deutlich zeigt sich dies an den ethni schen Kolonien vieler Städte.(7)

Das Bezirksamt Neukölln von Berlin schreibt 2004: »Da die Migranten einen Großteil der Neuköllner Bevölkerung ausmachen und die Integration in die deutsche Gesellschaft auf breiter Front missglückt ist, bildet sich immer stärker eine Parallelgesellschaft heraus« und konstatiert eine »zunehmende Islamisierung der Neuköllner Altstadt«. Solche Viertel weisen einen überproportional hohen Anteil von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, von Armut und Schulabbrechern auf mit überproportional hohen Kriminalitätsraten und Gewaltdelikten. Die Bildungsferne des Elternhauses, die oft mit einem Desinteresse an der Schule einhergeht, trägt neben anderem zu einer geringen Schul- und Berufsausbildung der Heranwachsenden bei, zu Schulschwänzen und Schulabbruch. Die Kenntnisse der jeweiligen Landessprache sind gering, womit eines der wichtigsten Mittel des Ausbildungs- und Berufserfolges sowie der Integration entfällt.

Diese ethnischen Kolonien und der Aufenthalt darin perpetuieren sich, statt wie in den klassischen Einwandererländern Durchgangsstation zur Aufnahme in die neue Gesellschaft zu sein. Sie fördern Isolation und Segregation vom Aufnahmeland, was durch die Islamisierungswelle der letzten Jahrzehnte verstärkt wird. Sie können zu Gebieten eigenen Rechts werden, »islamischen Räumen«, wohin sich die Polizei nur noch im Großaufgebot wagt und in denen ein hoher Anpassungsdruck herrscht. »Regiert« werden sie von Imamen und Gemeindeführern, »Identitätswächtern«, die durch psychischen Druck und auch durch Zwang und Gewalt die Kultur des Herkunftslandes in ihrer traditionellsten und den Islam in seiner radikalsten Form durchsetzen. Hier werden Misstrauen, Abneigung und Verachtung gegenüber der Aufnahmegesellschaft gelehrt, gepflegt, gefördert.

Wie sehr die Aufnahmegesellschaft abgelehnt wird, zeigt auch die Heiratspraxis: Mehrheitlich werden die Ehepartner aus dem Herkunftsland geholt und selbst den potentiellen Ehepartnern der eigenen Ethnie im Aufnahmeland vorgezogen, von den Einheimischen ganz zu schweigen. So fällt eines der probatesten Integrationsmittel weitgehend aus. Eine Untersuchung über jugendliche Zuwanderer aus dem Jahr 2003 fasst Luft so zusammen: »Statistisch besteht ein Zusammenhang zwischen ausgeprägt islamischer Orientierung, sozialer Deklassierung und mangelnder Integration.« Während aber »bei einheimischen Jugendlichen eine hohe Religiosität mit günstigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen einhergeht, verhält sich dies bei den Migranten umgekehrt . . . Deutlich ist allerdings bei den muslimischen Jugendlichen, dass das Bildungsniveau dann am niedrigsten im Vergleich aller Migrantengruppen ausfällt, wenn ihre Religiosität stark ausgeprägt ist.«

Die Zahl der muslimischen Immigranten ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch gering und meist im einstelligen Bereich, 12 Prozent in Frankreich; problematisch ist deren Konzentration in bestimmten Städten, wo ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung oft 30 oder mehr Prozent beträgt, bei Kindern und Jugendlichen zuweilen schon mehr als die Hälfte, genauer: in bestimmten Stadtvierteln. Sie weisen die höchsten Geburtenzahlen auf, was für viele Städte den Zeitpunkt absehbar macht, wo die Kultur und Religion dieser ethnischen Kolonien majoritär werden und die Städte in einem von den meisten Einheimischen und von vielen – auch muslimischen – Zugewanderten nicht gewünschten Sinne prägen werden.

Die Idee einer islamischen Eroberung Europas ist keineswegs Erfindung hysterischer Islamophober – sie wird den Europäern immer wieder von Muslimen unter die Nase gerieben. Der Imam Abu Baseer erklärt: »Eines der Ziele der Immigration ist die Neubelebung des Dschihad und die Geltendmachung der Macht über die Ungläubigen. Immigration und Dschihad gehören zusammen. Das eine ist Folge des anderen und hängt davon ab.« Einer der Führer der dänischen Muslime hat einen Traum: »Wir werden schließlich die Mehrheit sein.« Ein bei jungen Muslimen in Stockholm beliebtes T-Shirt trug die Aufschrift »2030 – dann übernehmen wir«. Beim Prozess gegen die Islam4UK-Gruppe in England trug ein Demonstrant vor dem Gericht ein Plakat mit der Aufschrift »Islam will dominate the world. Freedom can go to Hell«.

Bereits 1974, mit dem Beginn der Reislamisierungswelle, hatte der algerische Präsident Boumedienne vor der UN-Generalversammlung erklärt: »Der Leib unserer Frauen wird uns den Sieg bescheren.« 1978 forderte eine vom Islamic Council in Europe organisierte Konferenz die Muslime auf, ihre eigenen religiösen Gemeinschaften von den Behörden als gleichberechtigt mit anderen anerkennen zu lassen – soweit kein Problem. Dann heißt es: »Schließlich kann die Gemeinschaft versuchen, politische Rechte als eine die Nation konstituierende Gemeinschaft zu erlangen. Sobald sie diese Rechte erhalten hat, sollte die Gemeinschaft versuchen, ihre spezifischen Merkmale auf die gesamte Nation hin auszudehnen.«

Für den mangelnden ökonomischen und Integrationserfolg der muslimischen Einwanderer werden oft Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung verantwortlich gemacht. Die gibt es in der Tat, und es sollte sie nicht geben. Davon sind aber nicht nur die Muslime betroffen, und nicht mehr als andere. Zu keiner Zeit waren Rassismus, Xenophobie und Diskriminierung gesellschaftlich so geächtet, und nie zuvor waren die Einwanderer rechtlich so weitreichend geschützt. Unter in dieser Hinsicht weit ungünstigeren Bedingungen gelang früher von großen Teilen der einheimischen Bevölkerung abgelehnten und angefeindeten Gruppen wie den Juden oder Chinesen Integration und schließlich ein – über das Niveau der einheimischen Bevölkerung hinausgehender – Wirtschaftserfolg. Und beides erreichen auch heute in Europa andere Migrantengruppen wie die Vietnamesen, die indischen Hindus und andere. Warum reüssieren in der Regel die orthodoxen Zyprioten, nicht aber die muslimischen Türken? Außerdem gibt es ja zahlreiche Muslime, die in die europäischen Gesellschaften integriert und wirtschaftlich erfolgreich sind, und zwar in solcher Zahl, dass von einer generellen Verhinderung von Integration und Berufserfolg durch die genannten Faktoren nicht die Rede sein kann.(8)

Das gilt auch für das von Muslimen ins Feld geführte apologetische Argument einer speziellen westlichen Feindseligkeit ihnen gegenüber, was zunächst als »Feindbild Islam«, dann als »Islamophobie« und in seiner neuesten Varian- te als »Aufklärungsfundamentalismus« vorgebracht wird. Aber das trifft weder historisch noch für die Gegenwart zu: Keine andere Religion kann sich einer so weitreichenden und passionierten Verteidigung von staatlicher Seite und in den Medien erfreuen wie der Islam, die Bücher von Bawer und Phillips belegen das überzeugend.

Muslime in aller Welt sehen sich als Opfer einer Verschwörung des Westens (und der Juden, wahlweise auch der Freimaurer) gegen den Islam. Premierminister Mahathir von Malaysia erklärte in seiner Eröffnungsrede vor der Islamic Summit Conference im Oktober 2003: »Wir sind alle Muslime. Wir werden alle unterdrückt. Wir werden alle gedemütigt.« Die Muslime seien mit »der Zerstörung ihrer Religion und der Ummah« konfrontiert. Solcher Paranoia muss der Gedanke einer Islamophobie des Westens ganz selbstverständlich vorkommen. Erklärenswert wäre jedoch, warum die Idee im Westen selbst solchen Anklang fand und unermüdlich und ohne handfestes Beweismaterial herumgereicht wird.

Kenan Malik hat nach der Islamophobie in England gefragt und stellte entnervt fest: Die Behauptung einer weitverbreiteten Islamophobie werde durchgängig so widerspruchslos akzeptiert, »dass sich niemand auch nur die Mühe macht, sie zu überprüfen« (Guardian, 7. Januar 2005). Malik zufolge ist die Vorstellung einer weitverbreiteten Islamophobie in England falsch. Im Jahre nach 9/11, als eine Welle von Übergriffen zu erwarten gewesen wäre, stellte die Islamic Human Rights Commission 344 Vorfälle fest: »die meisten davon relativ geringfügige Vorkommnisse wie Stoßen oder Bespucken«. Das sei gewiss schlimm für die Opfer, »aber zusammengenommen erlauben sie nicht, von einer Atmosphäre unkontrollierter Feindseligkeit gegenüber Muslimen zu sprechen«. Bawer hat die entsprechenden Zahlen für die USA untersucht. Der Council for American Islamic Relations beklagte einen dramatischen Anstieg von »hate crimes« gegen Muslime in den USA seit 9/11: von 42 Fällen 2002 auf 141 im Jahre 2004.

Die Konzentration auf Islamophobie als Hauptproblem ist umso schwerer verständlich, als die Opfer ethnisch motivierter Übergriffe und Gewalttaten zumeist Juden, andere Einheimische und Mitglieder anderer Ethnien sind, wobei Muslime die Haupttätergruppe stellen. »Der Zahl der Verhaftungen und Verurteilungen zufolge werden erheblich mehr – ethnische und kriminelle – Gewalttaten von jungen Muslimen begangen als von >Islamophoben<«, schreibt Laqueur. Generell waren in den letzten Jahren Gewalttaten von Muslimen gegen Nichtmuslime sehr viel häufiger als umgekehrt. Im Jahre 2001 versechsfachten sich die Gewaltakte gegen Juden und jüdisches Eigentum in Europa. Allein in Frankreich wurden zwischen September 2002 und März 2003 über 1300 einschlägige »hate crimes« gezählt.

Das Schicksal eines EU-Berichts über diese Welle des Antisemitismus verrät einiges über die EU und die obwaltende Islamophilie in Europa. Der Bericht brachte nicht das gewünschte Ergebnis – weiße einheimische Jugendliche als Haupttäter –, sondern verwies auf muslimische Jugendliche. EU-Generalsekretär Solana verweigerte Mitte 2003 die Veröffentlichung: Der Bericht entspreche nicht den Qualitätskriterien. Als der Bericht dann ein Jahr später doch erschien, war er begleitet von einer Pressemitteilung: »die größte Gruppe von Tätern bei antisemitischen Aktivitäten scheinen junge, unzufriedene weiße Europäer zu sein«. Eine weitere Quelle des Antisemitismus »in einigen Ländern« seien junge Muslime. Aber aus den Daten des Berichts ergab sich, dass das Gegenteil zutraf.

Keine andere Migrantengruppe beklagt sich so häufig über Diskriminierung und Mangel an Respekt und stellt derart exorbitante Forderungen, deren Zurückweisung dann als weiterer Beweis für Islamophobie gilt. Als der frühere englische Innenminister Charles Clarke 2005 erklärte, über die Einführung des Kalifats und der Scharia, die Aufhebung der Gleichheit der Geschlechter und der Meinungsfreiheit könne es keine Verhandlungen geben, sah ein Vertreter von Hizb ut-Tahrir Britain darin »einen Angriff gegen den Islam«. Ein dänischer Muslimführer beklagte sich 2004 über den Säkularismus der dänischen Gesell schaft als »eine widerwärtige Form der Unterdrückung«.

Und keine andere Migrantengruppe droht derart ungeniert und ungestraft – und erfolgreich – mit Gewalt, sobald sie sich gekränkt oder herausgefordert fühlt. Gleichwohl gilt ihr die bis an Selbstaufgabe reichende Rücksichtnahme seitens der Regierungen und Medien. Um bei der EU zu bleiben: Zusammen mit den EU-Regierungen soll ein »gemeinsames Lexikon« erstellt werden, wodurch »den Entstellungen des muslimischen Glaubens und der Entfremdung der muslimischen Gläubigen« ein Riegel vorgeschoben wird.

Dass auch die Medien diese befremdliche Selbstzensur gegenüber den Muslimen praktizieren, legt zumindest der Fall der amerikanischen Society of Professional Journalists nahe, deren erklärtes Ziel die Verteidigung der Meinungsfreiheit und -vielfalt ist. Auf ihrem Kongress im Jahre 2007 verabschiedete sie eine Reihe von Richtlinien für die Berichterstattung über Araber und Muslime: »Wenn Sie über Terrorismus schreiben, vergessen Sie nicht, weiße Rassisten, radikale Abtreibungsgegner und andere Gruppen mit vergleichbaren Aktivitäten einzubeziehen.« Wortverbindungen wie »Islamic terrorist« oder »Muslim extremist« seien zu vermeiden.

Bevor untersucht wird, inwieweit der Islam als Religion und kulturelles System für die Integrationsschwierigkeiten und -widerstände bei den Muslimen verantwortlich sein könnte, sollen kurz die nichtreligiösen Faktoren vorgestellt werden, die die Migrations- und Sozialforschung generell als Integrationshemmnisse ausfindig gemacht hat.

Als generelle, unabhängig von der Herkunftskultur und -religion geltende Integrationshindernisse werden plausibel folgende Faktoren genannt: Wenn es stimmt, dass Arbeit und Arbeitsplatz ein wesentlicher Integrationsfaktor sind, dann kann das Wegbrechen der traditionell für ungelernte Migranten geeigneten industriellen Arbeitsplätze in den letzten Jahrzehnten ein wesentlicher Grund für den Integrationsmisserfolg sein.

Wenn es stimmt, dass schulische und berufliche Bildung sowie gute Kenntnisse der Sprache des Aufnahmelandes wichtige Voraussetzungen für einen Arbeitsplatz und beruflichen Erfolg sind, dann ist die fehlende Qualifikation der meisten muslimischen Migranten ein Integrationshindernis. Anders gesagt: Eine Immigrationspolitik, die nicht auf die Qualifikation der Immigranten achtet, ist ein Fehler. Und wenn der Bildungsstand der Eltern von besonderer Bedeutung für den schulischen Erfolg der Kinder ist, dann ist der niedrige Bildungsstand der meisten muslimischen Eltern ein Integrationshindernis auch für die Kinder.

Wenn es stimmt, dass die Herkunft aus einem traditionellen bäuerlich-dörflichen Milieu oder aus der städtischen Unterschicht ein Integrationshindernis darstellt, haben viele muslimische Migranten Probleme mit der Integration.

Ein ebenfalls für alle Migranten geltendes, traditionsbewahrendes Integrationshindernis sind paradoxerweise die Folgen des ihnen zur Verfügung stehenden technischen Fortschritts, der es erlaubt, einen fast ununterbrochenen Kontakt mit dem Herkunftsland aufrechtzuerhalten, sei es die persönliche Kommunikation mit Verwandten und Freunden via Telefon und Internet, sei es allgemeine Information oder Unterhaltung über die Medien (Zeitungen, Internet und vor allem Satelliten-TV). Billige Flüge erlauben jährliche längere Aufenthalte in der alten Heimat. Je intensiver der Kontakt mit dem Herkunftsland, desto geringer in der Regel die Integrationsbereitschaft.

Hinzu kommen im Fall der muslimischen Migranten die Interventionen der Herkunftsländer, die erhebliche finanzielle und kulturpolitische Anstrengungen unternehmen, die Migranten an der Integration zu hindern – von Koranschulen und anderen kulturellen Einrichtungen bis zur Entsendung von Lehrern, Imamen etc. Das gibt es bei ande ren Gruppen in viel geringerem Maße, wenn überhaupt.

Immer wieder wird überraschenderweise von den Autoren der Sozial- und Wohlfahrtsstaat als Integrationshindernis angeführt. Naiverweise würde man annehmen, dass die Fürsorge des Aufnahmestaates Anerkennung finden und die Integration fördern würde. Oft waren ja eben diese Sozialleistungen das Motiv für die Migration. Traditionell fungierten die Arbeit und der Arbeitsplatz als eine wesentliche integrative Instanz. Der Sozialstaat unterminiert dieses Prinzip, indem Erwerbslosigkeit materiell soweit abgesichert ist, dass ein Existenzniveau weit über dem im Herkunftsland durch Arbeit erzielbaren möglich wird. Ein Bericht des Bezirksamtes Neukölln beschreibt das Dilemma: »Kinder und Jugendliche wachsen in einem sozialen Umfeld auf, in dem die Nichtteilhabe am Erwerbsleben und die Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung Normalität sind. Dies hat Konsequenzen für die Integrations- und Leistungsbereitschaft.« Ghadban formuliert das so: »Ein unerwarteter Effekt der Wohlfahrt besteht darin, die Abkapselung der Gruppe zu fördern und die Integration zu verhindern, eigentlich den Sinn und Zweck der Sozialhilfe zu verfehlen.«

Wenn aber diese Integrationshindernisse für alle Migranten gelten, warum haben dann in der Regel die Muslime deutlich mehr Integrationsschwierigkeiten als andere Migrantengruppen? Warum ist die Segregation der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland besonders stark ausgeprägt? Warum wohnt und lebt sie lokal sehr viel konzentrierter, während die anderen Gruppen eher im Stadtgebiet verstreut leben? Warum ist ihre Arbeitslosenquote sehr viel höher – in England ist die Arbeitslosigkeit unter den Muslimen dreimal so hoch wie bei anderen? Warum findet sich nur bei den Muslimen massenhaft das Phänomen der Heiratsmigration (»Importbräute«)? Warum unterscheiden sich die Türken am deutlichsten von den Deutschen in Bildungsniveau, beruflicher Qualifikation, Bildungsferne? Warum ist gerade unter Muslimen die freiwillige Selbstabgrenzung und Verachtung der Kultur des Aufnahmelandes so viel weiter verbreitet als bei anderen?

Neben den oben angeführten generellen Integrationshindernissen wird immer wieder im Fall der Muslime der islamische Fundamentalismus als Grund angeführt. Aber warum sollte der islamische Fundamentalismus Integrationshindernis sein? Andere religiöse Fundamentalismen waren dies nicht. Die Geschichte der Migration ist voll von fundamentalistischen Bewegungen und Sekten, die in Länder, die ihnen Religionsfreiheit gewährten, auswanderten und sich dort früher oder später integrierten.

Die obligate absolute Unterscheidung von Islam und Islamismus dürfte ein Hindernis für genaueres Nachfragen gewesen sein. Generell galt: Die Guten gingen ins Töpfchen des Islam, die Schlechten ins Kröpfchen des Islamismus. Die beiden, so der gewünschte Eindruck, haben nichts miteinander gemein: Der Islam war zum Islamismus gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Aber es gibt theologisch und politisch-ideologisch nichts Wesentliches am Islamismus, das sich nicht in der Geschichte des Islam finden ließe. Der Islamismus breitet sich nicht deshalb weltweit unter den Muslimen aus, weil er eine ganz neue faszinierende Form des Islam wäre, sondern weil er die seit mehr als tausend Jahren vertrauten Gebote und Verbote des Islam gegen eine sich globalisierende Moderne stellt. Der Islamismus lässt sich als eine Reislamisierung und eine der – schon von Ibn Khaldun beschriebenen – periodisch in der Geschichte des Islam auftretenden Erneuerungs-, Reinigungs- und Erweckungsbewegungen verstehen.

»Der Islam herrscht, er wird nicht beherrscht.« So lautet ein Hadith. Der Islam erstrebt nicht ein gleichberechtigtes Nebeneinander mit anderen Religionen und kulturellen Systemen, sondern die Herrschaft des Islam über die anderen, die zu seinem superioren System – der besten Gemeinschaft, die je auf Erden entstand – in einem Verhältnis der Inferiorität und Duldung stehen. Der Respekt, der von den Muslimen unermüdlich eingeklagt wird, meint nicht die Anerkennung als Gleichberechtigte, sondern als Superiore und damit die Bekundung der Inferiorität der anderen. Superiorität bedeutet Ehre, Inferiorität Demütigung und Unterwürfigkeit. Beides soll öffentlich sichtbar gemacht werden durch Gesten und Worte. »Überall dort, wo Muslime leben, beansprucht der Islam unbedingte Geltung für sich«, heißt es bei Bassam Tibi. In den islamischen Ländern war und ist es Tradition, dass die Ungläubigen einzig in der Rolle unterworfener Schutzbefohlener geduldet werden, nicht als Gleiche.

Das angemessene Verhältnis des Nichtmuslims zu den Muslimen ist das des Dienens. Ein Muslim darf dementsprechend nicht im Verhältnis eines Befehlsempfängers zu einem Nichtmuslim stehen: Man kann sich unschwer vorstellen, welche Konsequenzen dieses Gebot, wird es denn ernst genommen, für die Integration im Bildungsbereich und am Arbeitsplatz hat. Im Falle einer Isolation von der deutschen Gesellschaft und einer exzessiven Orientierung an der Herkunftskultur, so Ghadban, werde »die deutsche Gesellschaft nicht als eigene betrachtet, sondern als Beutegesellschaft, die zugunsten der eigenen Gesellschaft auszunutzen wäre«. Wenn Omar Bakri erklärt, der Islam billige seinen Empfang von Sozialleistungen von einem nichtislamischen Staat, meint er damit die Tributzahlung, die die geduldeten Nichtmuslime den Muslimen schulden. Eine solche islamische Uminterpretation der Sozialhilfe könnte zu ihrer Akzeptanz als Normalität sowie zu ihrem Missbrauch bei vielen Muslimen beitragen.

Prinzipiell steht die Welt des Islam in einem feindlichen Verhältnis zu den nichtislamischen Ländern: Sie gelten bekanntlich als Gebiet des Krieges, gegen das bis zu seiner Islamisierung Krieg zu führen ist; einen dauernden Frieden darf es nicht geben, nur einen vorübergehenden Waffenstillstand. Diese Feindseligkeit gilt auch für das Verhältnis der Muslime zu den – geduldeten – Nichtmuslimen innerhalb einer islamischen Gesellschaft. So ist es etwa der muslimischen Frau verboten, einen Nichtmuslim zu heiraten. Mit dem Tode gar wird die Konversion eines Muslims bestraft.

Eine Konsequenz einer derartigen feindlichen Haltung kann das Streben nach der Schaffung islamischer Räume innerhalb der nichtislamischen Gesellschaft sein. Luft zitiert eine Studie des Zentrums für demokratische Kultur von 2004: »Mit ihren vielfältigen Aktivitäten versuchen islamistische Organisationen, >islamisierte Räume< zu schaffen, Milieus, in denen das gesamte Leben der Gemeinschaft den religiösen Vorschriften entsprechend gestaltet wird, einschließlich der Rechtsordnung.« Laut Ghadban verfestigt und legitimiert die fortschreitende Islamisierung die Strukturen der Parallelgesellschaft: »Es wird in allen Antworten deutlich, dass die Personen sich keine soziale Eingliederung in die deutsche Gesellschaft vorstellen können und sie ihr eigenes soziales Milieu bewahren möchten.«

Verstärkt werden kann diese Feindseligkeit durch eine vor allem unter Schiiten verbreitete bis zum Abscheu gehende Abneigung gegenüber der rituellen Unreinheit der unbeschnittenen, schweinefleischessenden, alkoholtrinkenden, sexuell ausschweifenden, schlimmstenfalls gar homosexuellen Ungläubigen. Hier kann dann der Kontakt sogar zur Verunreinigung des Gläubigen führen. Auf der mit Khomeini in der gesamten islamistischen Bewegung wieder zu Ehren gekommenen traditionellen Liste der unreinen Dinge stehen neben Hund, Schwein, Urin, Exkrementen etc. auch die Nichtmuslime.

Der Islam kollidiert mit dem säkularen Staat und Recht, mit der Demokratie und der Idee der Volkssouveränität und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Das gilt auch für das westliche Prinzip des Individualismus: der nur durch allgemeine Gesetze einschränkbaren Selbstbestimmung des autonomen Einzelnen. Das islamische Recht steht im Zentrum des Islam. Dieses »göttliche Recht beschränkt sich nicht auf die Ordnung der äußeren Dinge des Lebens; es gilt ohne Einschränkung für alle Lebensbereiche«, schreibt Bassam Tibi. Dadurch ist auch »die Entsprechung des Sakralen und des Politischen im Islam« bedingt, religiöse und politische Funktionen gehen ineinander über: »Bis heute können wir kein säkularisiertes Sozialsystem im islamischen Orient vorfinden.«

Der Islam als kulturelles System sanktioniert den religiösen Totalitarismus und verhindert die Verwirklichung der Menschenrechte. Islam bedeutet Absenz von Religionsfreiheit und von Toleranz im neuzeitlichen Sinne, Unterdrückung von Minderheiten und Frauen. »Nieder mit allen Demokratien und allen Demokraten!« rief der Berliner »Hassprediger« 2004 – ein Kollege in Kopenhagen schloss sich ihm an: »Kein Muslim kann Säkularismus, Freiheit und Demokratie akzeptieren. Allah allein steht es zu, die Gesetze zu erlassen, wie eine Gesellschaft geordnet sein soll. Die Muslime wünschen und ersehnen, dass das Ge- setz Allahs das Gesetz der Menschen ersetzt.«

Eines der wichtigsten Integrationshindernisse für Muslime ist die Angst, dass die Frauen – Ehefrauen, Töchter, Schwestern – verwestlichen und vor allem durch Verstöße im Bereich der Sexualmoral die Ehre der Familie verletzen. Es ist fraglich, wie weit sich das notwendig aus dem Islam ergibt, Tatsache aber ist, dass es in erster Linie Muslime sind, die diese Befürchtungen hegen, die Frauen im Hause und unter männlicher Bewachung halten und die Gewalt gegen Frauen und Ehrenmorde begehen. »Man hätte erwartet, dass die Menschen im Kontakt mit der Moderne in Deutschland zu einem mehr emanzipatorischen Verständnis der Position der Frau kommen würden, die Untersuchung zeigt aber das Gegenteil«, berichtet Ghadban von der von ihm untersuchten Gruppe libanesischer Muslime. Die Überwachung und Kontrolle der Frauen als Träger der Ehre des Mannes und der Familie, die inferiore Stellung der Frau im Islam differieren erheblich von der in Deutschland angestrebten Rolle der Frau.

Ein weiterer, für die Integration indirekt relevanter Gesichtspunkt ist die religiöse Legitimierung von Gewalt im Islam. Wohl nicht zufällig weigerten sich im April 2005 die islamischen Länder in der UN Human Rights Commission, der geplanten Ächtung religiöser Gewalt zuzustimmen. Nach den Terroranschlägen in London im selben Jahr wurde in der UN Sub-Commission on Human Rights erneut ein Versuch unternommen, im Namen einer Religion begangene Mordtaten zu verurteilen, aber die Rede des Antragstellers wurde von Vertretern der islamischen Länder so oft unterbrochen, dass er sie nicht beenden konnte.

»Zugewanderte Jugendliche – insbesondere aus dem islamischen Raum – sind hinsichtlich Gewalttätigkeit deutlich stärker auffällig als andere Gruppen«, schreibt Stefan Luft. Einer von ihm zitierten Untersuchung zufolge erfahren muslimische Jugendliche »wesentlich häufiger als andere innerfamiliäre Gewalt«. »Anders als in allen anderen religiösen Gemeinschaften« gehe mit erhöhter Religiosität »keine stärkere Ablehnung jugendlichen Gewalthandelns durch die Eltern« einher. »Insgesamt ergibt sich somit ein konsistentes Bild dahingehend, dass muslimische Jugendliche sowohl auf der Einstellungs- als auch auf der Verhaltensebene eine deutlich stärkere Neigung zu Gewalt erkennen lassen.« Das lässt sich nicht, wie eine andere Studie zeigt, auf die üblichen Verdächtigen zurückführen: »Die höhere Gewaltbelastung ist real. Weder die häufig schlechte soziale Lage, das niedrige Bildungsniveau, noch ein selektives Anzeigeverhalten oder Mechanismen der Strafverfolgungsbehörden können also die höhere Gewaltbelastung insbesondere Jugendlicher türkischer Herkunft erklären.«

Auffällig ist auch, dass es den muslimischen Gewalttätern oft nicht um das normalerweise mit einer bestimmten Gewalttat verbundene Ziel geht: »Die Täter demonstrieren mit diesen Gewalttaten auch Macht. Die Opfer erleben dies als traumatisierend«, ergibt sich aus einer anderen Untersuchung. Dem Verfasser einer Langzeitstudie über eine türkische Jugendbande gab deren »Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit doch Rätsel auf«: »Charakteristisch scheint mir für viele Gewaltsituationen, dass . . . Gewalt eine eigentümliche Bedeutung aus der Erniedrigung der Opfer gewann«.

Das gilt wohl auch bei der Gewalt gegen Frauen, die im Fall sexueller Gewalt zugleich die Demütigung und Entehrung der gesamten Familie nach sich zieht. (Es hilft aber, wenn man die vergewaltigte Frau umbringt.) Bei Laqueur heißt es: »alle Experten stimmen darin überein, dass der Prozentsatz junger Muslime in europäischen Gefängnissen ihren Anteil an der Bevölkerung bei weitem übersteigt. Das gilt auch für die Fälle von Vergewaltigung, die in vielen Banden Teil des >rite de passage< geworden ist, besonders in Frankreich und in geringerem Maße in Skandinavien und Australien.« 2001 wurde berichtet, dass in Norwegen 65 Prozent der Vergewaltigungen von »nichtwestlichen Immigranten« (2 bis 3 Prozent der Bevölkerung) begangen wurden (die Statistik von 2007 zeigte kein Sinken der Rate an). Ein Mufti in Dänemark erklärte laut Bawer, »dass Frauen und Mädchen, die kein Kopftuch tragen (einschließlich der Nichtmuslime) keinen Respekt verdienten und selber dafür verantwortlich seien, wenn sie vergewaltigt werden«.

Antisemitismus: Die islamische Judenfeindschaft ist im Koran und den Hadithen vorgegeben und wurde mittlerweile, unter anderem auch durch die Väter des Islamismus, auf den Stand des nazistischen Antisemitismus gebracht – Mein Kampf ist neben den Protokollen der Weisen von Zion ein oft angebotenes Buch in vielen islamischen Ländern. Nirgendwo herrscht heute ein so brutaler, mordlustiger Antisemitismus wie unter den Muslimen in der islamischen und außerislamischen Welt. Wer hätte sich vorstellen können, dass Die Protokolle als ei- ne »aktualisierte« einundvierzigteilige Fernsehserie, zur besten Sendezeit 2003 in Ägypten verbreitet, an mehr als zwanzig andere arabische Sender verkauft wird? Wo sonst würde noch die Mär vom mit dem Blut nichtjüdischer Kinder gebackenen Matzebrot verbreitet? Wo sonst wird der Holocaust laut und öffentlich selbst von den Spitzen des Staates geleugnet? Schon 1992 schrieb Daniel Easterman, es verbreite sich in der arabischen Welt »eine Form des Antisemitismus, die sich meiner Ansicht nach nur mit den Vorgängen im Dritten Reich . . . vergleichen lässt. Politischer Antizionismus wird zunehmend von primitivster antijüdischer Polemik verdrängt.«

Das hindert die islamische Propaganda keineswegs, das Entsetzen und die Schuldgefühle über den Holocaust im Westen für sich zu instrumentalisieren und die Muslime als die »neuen Juden« darzustellen, als die prospektiven Opfer des anstehenden nächsten Holocaust in Europa. Es gibt anscheinend Leute, die so etwas ernst nehmen. Wenn, um einen Namen zu nennen, ein Antisemitismusforscher wie Wolfgang Benz Islamkritikern eine Verwandtschaft mit dem Antisemitismus unterstellt (und allein der Antisemitismus in der Welt des Islam wäre schon Grund genug, diesen zu kritisieren), anstatt sich um die virulenteste Form des Antisemitismus in der heutigen Welt zu kümmern, drängt sich das Wort »realitätsgestört« auf. So will man heute an den Muslimen gutmachen, was damals an den Juden verbrochen wurde.

Doch für die Vermutung, dass der Islam selbst ein wichtiger Faktor bei der auf breiter Front misslingenden Integration der Muslime in die westliche Gesellschaft sein könnte, spricht tatsächlich vieles.
Anmerkungen
1.

Christopher Caldwell, Reflections on the Revolution in Europe. Immigration, Islam, and the West. London: Allen Lane 2009.
2.

Bruce Bawer, While Europe Slept. How Radical Islam Is Destroying the West from Within. New York: Doubleday 2006; Surrender. Appeasing Islam, Sacrificing Freedom. New York: Double day 2009. Melanie Phillips, Londonistan. How Britain Has Created a Terror State Within. London: Gibson Square 2008.
3.

Walter Laqueur, The Last Days of Europe. Epitaph for an Old Continent. New York: Thomas Dunne Books 2009. Bat Ye’or, Eurabia. The Euro-Arab Axis. Cranbury: Associated University Presses 2005.
4.

Lee Harris, The Suicide of Reason. Radical Islam’s Threat to the West. New York: Basic Books 2007.
5.

Jytte Klausen, The Islamic Challenge. Politics and Religion in Western Europe. Oxford: Oxford University Press 2007; The Cartoons That Shook the World. New Haven: Yale University Press 2009.
6.

Stefan Luft, Staat und Migration. Zur Steuerbarkeit von Zuwanderung und Integration. Frankfurt: Campus 2009.
7.

Vgl. Rauf Ceylan, Ethnische Kolonien. Entstehung, Funktion und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2006; Ralph Ghadban, Die Libanon-Flüchtlinge in Berlin. Zur Integration ethnischer Minderheiten. Berlin: Das Arabische Buch 2008.
8.

Vgl. Erkan Arikan / Murat Ham, Jung, erfolgreich, türkisch. Ein etwas anderes Porträt der Migranten in Deutschland. Gladbach: Ehrenwirth 2009.

© Merkur, Nr. 731, April 2010

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