Freitag, 2. April 2010

Vorauseilende Islamophobie

Islamophobie, die Angst vor dem Islam, wird viel zu oft von politisch korrekten Gutmenschen als Totschlagargument gebraucht. In diesem Artikel führt Achsen-Autor Rainer Bohnhorst ein interessantes Gedankenexperiement durch: Was ist dann Islamophilie? Werden alle Mitglieder des belgischen Parlaments bald zu islamophoben Rassisten und Hetzern?

Vorauseilende Islamophobie

Lassen wir mal beiseite, ob wir türkische Schulen brauchen oder wollen oder nicht. Lassen wir auch beiseite, ob es nun doch die eine oder andere türkische Schule in Deutschland geben wird, weil die Bundeskanzlerin mit einer Friedenstaube in Ankara angetreten ist. Widmen wir uns lieber der Frage, warum Angela Merkels spontane Ablehnung türkischer Schulen in Deutschland bei Recep Erdogan als “Hass auf die Türkei” ankam.

Hass! Wie kann ein kleines Nein ein so großes Wort hervorrufen? Ganz einfach: Es ist der gleiche Vorgang, der zum inflationären, ja frivolen Gebrauch des Begriffs Islamophobie zu tun. (Die Turkophobie oder der Türkenhass ist ja eine Untergruppe oder Sonderform der Islamophobie.) Es braucht nicht viel, den Titel der Islamophobie zu bekommen. Er wird von den Moslems wenigstbietend verschleudert. Ein bisschen Kritik am Islam, und sei sie noch so angebracht, wird im Handumdrehen zum Symptom einer bösen Islamo- oder Turkophobie. Und entsprechend wird, wer wagt, nein zu sagen, im Handumdrehen zum großen Hassenden.

Man könnte das als morgenländisch-poetischen Umgang mit der Sprache abtun, ließen wir uns in Europa diese Methode nicht aufschwätzen. Wir haben sie uns längst zu eigen gemacht.

Die Folgen zeigen sich besonders deutlich im Umkehrschluss. Wie werde ich ein Freund des Islam, wie werde ich islamophil? Indem ich zu allem ja und amen sage. Liebe, so gesehen, bedeutet, die eigenen Sitten, Gebräuche und Grundsätze, also das eigene Ich, in den Hintergrund zu schieben, um dem geliebten Freund zu Diensten zu sein.

Zwei schöne Beispiele solchen selbstlosen, ja selbstaufopfernden Liebesbeweise möchte ich aus England bringen.

Das erste Beispiel handelt von einem Konflikt zwischen einer Krankenschwester und ihrem Arbeitgeber, dem staatsnahen National Health Service. Dieser NHS hat der Krankenschwester verboten, bei der Arbeit eine Halskette mit - dezentem - Kreuz zu tragen. Der gleiche Arbeitgeber akzeptiert aber freudig, dass moslemische Krankenschwestern ihre Arbeit mit Kopftuch verrichten. Die christliche Kreuzträgerin wurde von ihrer bisherigen “Tätigkeit am Menschen” entfernt und in ein menschenfernes berufliches Abseits befördert. Die moslemischen Kopftuchträgerinnen blieben unbehelligt. Dieser aktuelle Fall einer vorauseilenden Islamophilie und einer damit einhergehenden Verleugnung eigener Tradition wurde von führenden Geistlichen im “Telegraph” beklagt. Demnächst kommt er vor ein weltliches Gericht.

Mein zweites Beispiel vorauseilender Islamophilie auf Kosten eigener Tradition handelt von der Furcht, nicht “feinfühlig” zu sein oder gar als rassistisch zu gelten. So berichtete kürzlich die “Daily Mail” von einem neuen Verhaltenskodex der Polizei in der Grafschaft Kent. Der Kodex verpflichtet die Beamten unter anderem, ihre Kundschaft nicht mehr nach ihrem “christian name” zu fragen, obgleich dies hierzulande der übliche Begriff für einen Vornahmen ist. Jetzt soll es nur noch neutral den “first name” geben. Auch die im Königreich weit verbreitete Sitte, Frauen (und Männer) mit “love” oder “darling” anzureden, muss die Polizei in Kent ablegen und durch weniger menschliche unpersönliche Begriffe ersetzen. Eine Muslima, so wird vermutet, will kein “darling” sein und ein Moslem kann keinen “christian name” haben. Daraus folgt nach dem Gesetz der Selbstaufgabe messerscharf, dass es polizeilicherseits nun gar keinen “christian name” mehr geben kann, und dass - jedenfalls in Kent - keine Engländerin mehr ein “darling” sein darf. Die bisherigen “darlings” wurden natürlich nicht gefragt, was sie von diesem Liebesentzug halten.

Ganz und gar in den Bereich der Satire gehört die Geschichte von dem Starwars-Fan, der einer Gruppe angehört, die ihre Film-Begeisterung zur Religion erhoben hat. Sie verehren die Jedi, tragen wie diese Filmgestalten weite Kapuzen, und sagen zueinander: “May the force be with you.” Ein solcher Jedi-Jünger wurde kürzlich eines Kaufhauses verwiesen, weil er seine Kapuze, seinen “hood” nicht abnehmen wollte. Die Verkäufer verwiesen auf ein allgemeines “Hood-Verbot”, als Notmaßnahme gegen so verhüllte Hooligans und Ladendiebe. Der Jedi-Jünger erklärte, es sei seine religiöse Pflicht, die Kapuze zu tragen. Das Kaufhauspersonal, offenbar noch nicht ganz vom Elexier des Absurden durchdrungen, warf ihn kurzerhand aus dem Laden. Dann aber kam das wunderbare Nachspiel, inszeniert in der höheren und politisch bewussteren Geschäftsetage: Die Geschäftsführung der Kaufhauskette entschuldigte sich bei dem Hinausgeworfenen schriftlich und in aller Form. Sie bedauerte, dass die “religiösen Gefühle” des Jedi verletzt wurden und versprach Besserung. Damit war der Weg von der einfachen Selbstverleugnung hin zur kompletten Narretei vollzogen.

Den entgegengesetzten Weg schlägt nun Belgien ein. Selbst auf die Gefahr hin, als Hassende und von der Islamophobie Befallene zu gelten, hat das dortige Parlament beschlossen, die moslemischen Ganzkörperzelte Burka und Nikab per Gesetz aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Könnte dies der Anfang vom Ende dieses entwürdigenden und frauenverachtenden Textilgefängnisses auf Europas Straßen sein? Frankreich hat ja auch schon entsprechende, wenn auch weniger entschlossene Schritte unternommen. Oder wird die gesamte belgische Politik, einschließlich der Grünen, die mit von der Partie sind, als rechtspopulistische Islam-Hasser verdammt? Droht Europa eine Spaltung in Burkaphobe und Nikabphile?

Ich möchte heute schon Partei ergreifen und den Belgiern zurufen: May the force be with you.

Die Achse des Guten

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