Sonntag, 4. April 2010

Guttenberg spricht von Krieg

Al Kaida hatte bis 2001 ihren Stützpunkt in Afghanistan und das Land mit Hilfe der Taliban, die sie unterwandert haben, unter ihrer Kontrolle. Die Operation Enduring Freedom hat dieses Regime noch im Oktober 2001 gestürzt. Das Problem ist, dass die neue Regierung korrupt ist und keine Legitimation von Seiten des Volkes hat. Karzai und seine Warlords können sich nur mit Unterstützung des Westens an der Macht halten. Ähnlich war es schon bei den britischen Kriegen in Afghanistan - keiner der von den Besatzern bestimmten neuen Führer konnte sich nach Abzug der Truppen behaupten.
Ich kann die Notwendigkeit, Afghanistan nicht mehr zu einem Rückzugsort von Extremisten werden zu lassen, verstehen. Al Kaida hat seine Aktivitäten aber mittlerweile in den Jemen verlegt und die Taliban sind Teil der afghanischen Bevölkerung. Und einen Krieg gegen die Bevölkerung kann man nicht gewinnen, zumindest nicht ohne dabei seine Menschlichkeit zu verlieren. Die Vorstellung man könnte innerhalb weniger Jahre in Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Vorbild etablieren, war nicht mehr als eine Illusion. Afghanistan ist das beste Beispiel für ein unaufgeklärtes Dritte Welt Land; wie sollen die Menschen dort auch etwas von Humanismus und Selbstbestimmung verstehen können?! Dass die (amerikanischen) Truppen Ende 2011 abziehen werden, bezweifle ich ganz stark. Obama wird einsehen müssen, dass ein Abzug alles bisher Erreichte zunichte machen wird. Doch wieviel ist uns das wert? Dahinten herrscht Bürgerkrieg - das hat jetzt endlich auch Guttenberg kapiert. Was nun dran ist, ist eine Diskussion über die Zukunft dieses Einsatzes. Die Bundeswehr ist Besatzungsmacht und nicht nur zum Brunnenbauen dort. Also muss sie ordentlich ausgerüstet werden. Die deutschen Soldaten müssen in jeder Situation mit Aufständischen technologisch und militärisch überlegen sein, sonst werden noch viel mehr Särge nach Deutschland zurück geschickt werden. Die andere Alternative wäre ein Abzug, wie ihn die Linke fordert. Da somit aber das bisher Erreichte auf dem Spiel steht, ist das unwahrscheinlich. Wir sollten uns darauf einstellen, dass dieser Einsatz noch sehr lange dauern könnte. Ich schätze mindestens 10-20 Jahre.

Guttenberg spricht von Krieg

Nach den schweren Kämpfen in Afghanistan könne man in Afghanistan nun von Krieg reden, meint Verteidigungsminister zu Guttenberg. Die Leichen der drei gefallenen Bundeswehrsoldaten sind inzwischen zurück in Deutschland.


Am Sonntagabend (04.04.2010) landete ein Regierungs-Airbus mit den Särgen der drei getöteten Fallschirmjäger auf dem Flughafen Köln/Bonn. Begleitet wurden die Gefallenen von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP). Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte das Flugzeug in Köln erwartet. Der Verteidigungsminister hatte seinen Osterurlaub in Südafrika abgebrochen, um die Verwundeten im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz zu besuchen und den Familien der getöteten Soldaten aus dem Standort Seedorf in Niedersachsen bei der Ankunft der Särge beizustehen.

"Wir bleiben"

Guttenberg hat ebenfalls am Sonntag Forderungen nach einem Truppenabzug zurückgewiesen. Das sei man auch den toten und verwundeten Soldaten schuldig, sagte Guttenberg am Sonntag in Bonn. "Wir bleiben in Afghanistan." Er distanzierte sich angesichts der Eskalation der Gewalt von der früheren Sprachregelung, wonach es sich in Afghanistan um einen Stabilisierungseinsatz handele. "Auch wenn es nicht jedem gefällt, so kann man angesichts dessen, was sich in Afghanistan, in Teilen Afghanistans abspielt, durchaus umgangssprachlich - ich betone umgangssprachlich - in Afghanistan von Krieg reden", sagte Guttenberg. Krieg "in juristischem Sinne" sei jedoch etwas anderes.


Der Sarg eines gefallenen Bundeswehrsoldaten während einer Trauerfeier in Kundus

Zwei Tage nach dem bislang schwersten Gefecht der Bundeswehr in Afghanistan hatten die Soldaten im Feldlager Kundus Abschied von ihren getöteten Kameraden genommen. "Wir haben alle gehofft, dass wir diesen Tag niemals erleben müssen, sagte der ISAF-Kommandeur für Nordafghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger. "Die Hoffnung wurde am 2. April jäh zerstört." Minister Niebel hatte seine Reise um einen Tag verlängert, um an der Trauerfeier teilnehmen zu können.

Tod beim Minenräumen

Die drei Soldaten im Alter zwischen 25 und 35 Jahren waren am Karfreitag bei Gefechten mit radikal-islamischen Taliban getötet worden, als eine Bundeswehr-Patrouille im Unruhedistrikt Char Darah nahe Kundus in einen Hinterhalt geraten war. Die Soldaten wurden beim Minenräumen mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten angegriffen. Bei den stundenlangen Gefechten waren drei deutsche Soldaten getötet und acht verletzt worden. Die ISAF-Truppen hätten auf Angriffe aus der Luft auch verzichtet, um die Zivilbevölkerung nicht zu gefährden, sagte Generalinspekteur Volker Wieker am Sonntag in Bonn. Am Rande der Kämpfe wurden zudem durch Bundeswehr-Beschuss sechs Soldaten der verbündeten afghanischen Armee irrtümlich getötet. Der Vorfall werde jetzt intensiv untersucht, berichtete Guttenberg.

Der Tod der drei Bundeswehr-Soldaten schürte auch bei den traditionellen Ostermärchen die Kritik am deutschen Einsatz in Afghanistan. Die größten Veranstaltungen waren am Samstag in München und Stuttgart mit 1200 beziehungsweise 1500 Teilnehmern, wie ein Sprecher des Ostermarschbüros in Frankfurt am Main mitteilte. Bundesweit fanden Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen der Friedensbewegung statt.

Der Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative, Manfred Stenner, erklärte in Bonn: "Die Nachrichten zu Ostern erinnern uns an die gern verdrängte brutale Realität des Afghanistankrieges und auch seine Aussichtslosigkeit." Die Menschen in der Friedensbewegung "betrauern den Tod der Bundeswehrangehörigen wie alle anderen sinnlosen Opfer dieses Krieges".

Deutsche Welle

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