Montag, 29. März 2010

Angela Merkel reist nach Asien und hofft dort Europa zu finden



Angela Merkel reist nach Asien und hofft dort Europa zu finden

Wenn Angela Merkel am Montag zum Staatsbesuch in die Türkei reist, wird sie auch Istanbul besuchen, das in diesem Jahr den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ trägt. Sie wird das Mausoleum des Modernisierungsverordnenden Atatürk besichtigen, die Hagia Sophia, und die Deutsche Schule.

Das ergibt eine aufschlussreiche Symbolik, aber eine etwas andere, als das Kanzleramt sie sich vorgestellt haben mag. Der Kult um den Staatsgründer, der ebenso verordnet ist wie seine Modernisierungsidee, verrät indirekt etwas von der Schwäche der Institutionen. Die Hagia Sophia, die Krönungskirche des alten Byzanz, ist heute praktisch eine kaschierte Ruine mit Koransuren an den Wänden, die sich Moschee-Museum nennt. Ob das nicht doch etwas über das Verhältnis der offiziellen Türkei zur europäischen Kulturgeschichte und zum Christentum aussagt? Und die deutsche Schule, werden Sie jetzt fragen. Richtig, dort treffen sich die Kinder der Diplomaten, der Geschäftsleute, und die aus der einheimischen Oberschicht. Sie werden später einmal ins Geschäft kommen.

Europa war und ist für die Türkei der Ort, nach dem man strebt. So war es schon im Osmanischen Reich, und so kam man bekanntlich bis Wien. Aber auch keinen Schritt weiter. Sondern von Debakel zu Debakel auf dem Balkan. Bis Gallipoli. Die Schlacht von Gallipoli aber war nur noch Verteidigung und nicht mehr Angriff. Das Osmanentum war am Ende, sein Imperium zerfiel.

Aus seinem Schatten trat die Türkei. Sie hat sich ein neues Layout gegeben, das von Atatürk, um so doch noch an das verlorengegangene Ziel Europa andocken zu können. Das mag mit ihren prekären Nachbarschaften zu tun haben. Die Türkei hält einen nicht uninteressanten Rekord. Sie hat zu keinem einzigen Nachbarland gute Beziehungen. Ob es nun Griechenland ist, Armenien oder der Irak.

Die Türkei verkörpert eine notorische Moderne, die des Nahen Ostens. Sie trägt alle Merkmale asiatischer Industrialisierungsbegleitung. Dazu gehören der Nationalismus als Staatsdoktrin und die Religion als gesellschaftliche Selbstverständigungsbasis. In beiden Fällen zählt der Mensch als Teil der Gruppe. Auf ihn persönlich ist keine Rücksicht zu nehmen, höchstens auf die Gruppe.

Dass es so ist, und ganz und gar nicht besser werden will, daran erinnert uns seit Jahren bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit der türkische Ministerpräsident Erdogan. Zu den asiatischen Gepflogenheiten der Politik gehört das Säbelrasseln, zumindest aber das Wortgefecht. Die asiatische Moderne liegt seit eh und je im Streit mit dem europäischen Original. Das Problem ist, dass ihre Protagonisten meinen, man könne allem und jedem einen Hut aufsetzen und damit sei die Sache getan. Zu den neuesten aufgesetzten Hüten gehört Istanbuls Titel Kulturhauptstadt Europas.

Jedes Jahr aufs neue erfahren wir durch den Ministerpräsidenten, dass alles immer noch beim alten ist. Man kämpft jetzt bloß mit anderen Waffen. Die Krummsäbel sind verabschiedet Man versucht jetzt die Auswanderergruppen zu kontrollieren und zu instrumentalisieren. Anstatt über die Gründe nachzudenken, warum diese Gruppen die Türkei verlassen haben, erklärt man sie zum demographischen Faktor und fordert, wie Erdogan jetzt wieder, türkische Schulen in Deutschland. Eine erstaunliche Auffassung von Zugehörigkeit und Zuständigkeiten, zumindest im modernen Staatsverständnis, zeigt sich darin, das Erdogan gerne auch im Namen der deutschen Staatsbürger unter den Einwanderern spricht. Als Sprecher der notorischen Moderne asiatischer Prägung kann er nur der Besserwisser sein.

Erdogans Sprüche haben unsere Öffentlichkeit ein weiteres Mal für den Kanzlerinnenbesuch munitioniert. Sie könnten es, wäre diese Öffentlichkeit nicht weitreichend in der Hand von Tauben und Blinden, von sich taub und blind stellenden, nicht zuletzt aus Wirtschaftskreisen. Es sind jene, die bereits die Gastarbeiter planlos nach Europa geholt haben.
Hören wir doch endlich mit dem Schönwettergerede auf. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, wegen der zahlenstarken mexikanischen Einwanderung, Mexiko zum Bundesstaat der USA zu erklären, was im Übrigen Mexiko strikt ablehnen würde. Und es kommt schon längst keiner auf den Gedanken der Zusammenlegung, mit dem Argument, dass Mexiko Mittelamerika stabilisieren helfen könnte.

Spätestens wenn Erdogan uns wieder einmal über den Genozid an den Armeniern, der angeblich kein Genozid war, belehrt, und Armeniern in der Türkei mit der Ausweisung droht, sollte für uns die Botschaft klar sein: Zollunion ja, EU-Mitgliedschaft, nein.

Die Achse des Guten

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