Dienstag, 16. März 2010

Necla Kelek: Der organisierte Islam - Wer schützt die Muslime?

Bitte mit Vorsicht genießen, immerhin wurde Necla Kelek von der Islam-Konferenz ausgeschlossen. Trotzdem sollte man ihre Worte ernst nehmen: Wenn in einem so massiv mit Steuergeldern finanzierten Projekt wie der Duisburger Moschee die Integrationsangebote (welche die Nutzung der Steuermittel legitimiert haben) wie Deutschkurse abgebrochen und zurück gefahren werden, dann muss das Geld zurückgefordert werden.

Der organisierte Islam
Wer schützt die Muslime?

Von Necla Kelek



Es geht um Einfluss, so Necla Kelek, auch bei der Ditib-Moschee in Duisburg

16. März 2010 Anfang März stellte Innenminister Thomas de Maizière seine Ideen für eine zweite Islamkonferenz vor. Sein Konzept besticht durch drei klar formulierte Hauptthemen: das Verhältnis des Islams zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Imamausbildung und den islamischen Extremismus. Seitdem streiten die Vertreter des organisierten Islams darüber, ob sie überhaupt an einer solchen Diskussion interessiert sind oder ihre Teilnahme gleich aufkündigen. Nach außen hin empören sie sich natürlich über etwas anderes: den Ausschluss des Islamrates wegen seiner größten Mitgliedsorganisation, der „Milli Görüs“, gegen die Staatsanwälte wegen nicht geringer Vorwürfe (unter anderem Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Betrug) ermitteln.

Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM), in dem diese Verbände versammelt sind, hält die Öffentlichkeit und den Minister aber hin, wieder einmal, und verkündet alle paar Tage, dass die Entscheidung noch einmal vertagt wurde. Die zuerst zur Schau gestellte Solidarität mit der Milli Görüs scheint langsam zu bröckeln. Auf der einen Seite besteht der Islamrat auf Solidarität, auf der anderen Seite steht unter anderen Ditib, die um ihren Einfluss fürchtet, wenn sie die Konferenz boykottiert. Ihre Vertreter haben wohl noch in Erinnerung, wie kühl Angela Merkel sie 2007 hatte abblitzen lassen, als sie wegen des neuen Zuwanderungsgesetzes beleidigt dem Integrationsgipfel fernblieben.

Personelle und finanzielle Verbindungen

Aber da selbst Mohammed laut einem Hadith auf seiner Himmelsreise mit Gott über die Zahl der täglichen Gebete verhandeln konnte, glauben die Verbände, sie könnten nach alter Basarmentalität in göttlichem Auftrag mit der Regierung über die Zusammensetzung und Tagesordnung der Konferenz schachern. Sie vertagen die Entscheidung ein ums andere Mal, wollen neue Gespräche und mobilisieren ihre Unterstützer. Seit über drei Jahren geht es den Verbänden nur um eine Sache: Sie wollen als „Körperschaft öffentlichen Rechts“, wie die Kirchen, anerkannt werden, um Religionsunterricht nach eigenem Gusto anbieten zu können. Und sie wollen als alleinige Vertreter des Islams in Deutschland anerkannt werden. Über Fragen, die die deutsche Gesellschaft an die Muslime stellt - etwa zur Gleichberechtigung von Mann und Frau und was und von wem in Moscheen und Koranschulen gepredigt wird, wie sie mit den Fundamentalisten in den Moscheen umgehen -, darüber wollen sie nicht sprechen. Sie haben es in der ersten Periode der Konferenz verhindert und werden es wieder versuchen.

Die Kritik dieser Verbände am Innenminister bezieht sich auf mehrere Punkte. Zum einen akzeptieren sie nicht, dass der Islamrat suspendiert wurde. Der KRM kann es sich offenbar nicht leisten, den Islamrat alleinzulassen. Ein Grund sind die personellen und finanziellen Verbindungen und Abhängigkeiten der Islamverbände untereinander. Die 300 Moscheen von Milli Görüs werden über eine internationale Gesellschaft verwaltet, in der Ibrahim El-Zayat die Fäden zieht. El-Zayat ist mit der Nichte des Milli-Görüs-Gründers Erbakan verheiratet, der Bruder seiner Frau war jahrelang Vorsitzender der IGMG. El-Zayat ist gleichzeitig Präsident der Islamischen Gemeinde Deutschland (IGD), die wiederum im „Zentralrat der Muslime“ eine führende Rolle spielt. Wenn der Innenminister gegen Milli Görüs Bedenken hat, könnte er sie auch gegen IGD-Funktionäre hegen.

Machtpartizipation als Ziel

Der organisatorische Vorläufer der Islamischen Gemeinde ist eine Gründung der Muslimbrüder aus Ägypten. Einer der ersten Funktionäre dieses ersten Nachkriegs-Moscheebauvereins in München war der Muslimbruder Said Ramadan, der Vater des Predigers Tariq Ramadan. Aber das Netz der Abhängigkeiten im KRM ist noch dichter. Die jetzige Staatsführung der Türkei, Ministerpräsident Erdogan und Präsident Gül, waren vor Gründung ihrer AKP geistige Brüder und Parteifreunde des Milli-Görüs-Gründers Erbakan. Und diese geistige Haltung drückt sich auch in der Personalpolitik des von der türkischen Regierung angeleiteten Verbandes Ditib aus. Die Führer der etwa achthundert hauptamtlichen Funktionäre sind türkische Diplomaten. Man kann also sicher sein, dass bei der Entscheidung, ob die Deutsche Islamkonferenz scheitern soll, auch die türkische Regierung und ihre Religionsbehörde Diyanet mitreden.

Die türkische Regierung betreibt eine Europa-Politik, die auf Stärkung der türkischen und muslimischen Organisationen auch in Deutschland abzielt. Im März 2010 trafen sich in Istanbul Vertreter türkischer Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, um ihre Europa-Politik zu koordinieren. Anlass war der Gesetzentwurf der AKP-Regierung, die ein „Präsidium für Auslandstürken“ einrichten will. Ministerpräsident Tayyip Erdogan schloss in die Zuständigkeit seines Staatsministers für die Auslandstürken auch die Muslime ein: „Es ist nicht gerecht, wenn alle Muslime wegen einiger Randgruppen auf dieselbe Waagschale gesetzt werden und wenn sie allein wegen ihrer Kleidung und ihrer Religion oder gar wegen ihrer Sprache diskriminiert werden.“ Er nannte in diesem Zusammenhang Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie „Verbrechen gegen die Menschheit“. Ähnliche Formulierungen hatte er auch in seiner Kölner Rede 2008 für die Assimilation gebraucht.

Die Richtung ist klar. Die türkische Regierung will die Gruppenrechte ihrer Türken und Muslime in Europa stärken, es geht ihnen um „Partizipation“ der Gruppe an der Macht, nicht um die Integration der Bürger. Und genau diese Formulierungen hörte man am letzten Freitag vom Sprecher der Ditib, Bekir Alboga. Die Verbände wollen „das Recht auf ihr religiöses Leben“ durchsetzen. Sie meinen damit die Scharia. Wenn sie dies auf dem politischen Weg nicht erreichen, werden sie es wieder, wie Milli Görüs es seit Jahren vormacht, auf dem juristischen Weg versuchen. Mit Klagen, wie sie es beim Kopftuchverbot für Lehrerinnen, beim Schächten, bei der Befreiung vom Schwimmunterricht und beim Religionsunterricht getan haben.
Der Innenminister ist kein Moderator

Den Islamverbänden geht es um Einfluss, nicht um Integration. Ein konkretes Beispiel dieser Politik ist die als „Wunder von Marxloh“ weltweit gepriesene Ditib-Moschee in Duisburg. Mit Millionen Euro aus der EU und vom Land Nordrhein-Westfalen subventioniert, sollte die Einrichtung den interreligiösen Dialog befördern. Ein Jahr nach der Einweihung haben die konservativen Kräfte der Ditib den Moscheevereinsvorstand ausgewechselt, werden Deutschkurse gestrichen und interreligiöse Angebote gekürzt, so dass die kopftuchtragenden Besucherinnen der Moschee protestierten und forderten: „Wir wollen Deutsch lernen!“

Ob sie an der Konferenz teilnehmen, ist für die KRM-Verbände wie alles eine taktische, keine grundsätzliche Frage. Sie sind an einem demokratischen Diskurs nicht interessiert und keine Vertreter der spirituellen Bedürfnisse der Gläubigen, sondern Glaubensparteien, von niemandem gewählt, nur einer globalen Islamstrategie folgend. Ich hoffe, die Politik erkennt rechtzeitig, dass die Zeiten vorbei sind, in denen der Innenminister als Moderator auftreten kann.

Der Innenminister muss konsequent bleiben, und die Islamkonferenz muss im Zweifel auch ohne diese Verbände stattfinden. Man darf sich nicht von ihnen abhängig machen, Integration und der Diskurs über einen zeitgemäßen Islam sind zu wichtig. Eigentlich müsste die Regierung dieses Landes uns Muslime vor diesen klandestinen Interessen besser schützen als bisher.

FAZ

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